Lux perpetua
goldene Locken.
Er erinnerte Reynevan an jemanden. Aber Reynevan war abgelenkt, zusammen mit Kochłowski stützte er den Kranken. Dieser hatte
kein Fieber mehr und versuchte, auf seinen eigenen Beinen zu stehen.
» Miserere nobis . . .«,
sagte er plötzlich bei vollem Bewusstsein. Reynevan schauderte. Und er hatte Angst. Zu Recht, wie sich zeigte.
Aus dem Wald am linken Ufer der Olsa brach ein starker Reitertrupp hervor, Schützen, Lanzenträger und Schwerbewaffnete. Die
Ankömmlinge bildeten einen Halbkreis und schnitten den Hussiten den Fluchtweg ab, zwangen sie, sich auf die Brücke zurückzuziehen.
Jan Kuropatwa fluchte und wandte sich um. Aber vom rechten Ufer drängten schon die schlesischen Söldner auf die Brücke. Sie
waren abgeschnitten. Und umzingelt.
»Verdammt, ich sehe
Syriam ab oriente« ,
zitierte Kochłowski die Bibel,
» et Philistim ab occidente . . .«
» Tosme . . .«,
jammerte Hlas.
»Tosme su v prdeli . . .«
Gebhard Ungerath umarmte seinen Bruder, den Rothaarigen. Dann sah er zu den Gefangenen und den Hussiten hinüber. Mit hasserfülltem
Blick. Das Gesicht verzerrt wie ein echter Gnom.
»Ihr dachtet wohl, ihr Ketzer, dass ihr davonkommt? Dass ihr eure Haut rettet? Dass wir verhandeln? O nein, daraus wird nichts,
es gibt keine Verhandlungen mit euch, ihr Hundesöhne, keine Einigung. Für euch, ihr Missgeburten, gibt’s nur eins, was ihr
verdient: den Strick, die Axt und den Scheiterhaufen. Denn ihr werdet dorthin zurückgebracht, wo ihr hergekommen seid.«
Die Lanzenträger und Schwerbewaffneten hatten sich eng um sie formiert, um den Zugang zur linken Seite zu versperren. Der
Ritter, der sie anführte, hatte gekreuzte Äxte auf seinem Schild.
»Dich aber, du verfluchter Abtrünniger«, Gebhard Ungerath zeigte mit dem Finger auf Reynevan, »liefern wir dem Bischof von
Breslau aus. Der Bischof, das wissen wir, träumt schon lange davon, dich in seiner Folterkammer zu haben. Und damit werden
wir uns um die Kirche verdient machen
. . .
«
»Wir wissen auch«, sagte Urban Horn und hob den Kopf, »dass es hier einzig und allein um den Verdienst geht. Bei diesem so
niederträchtig eingefädelten Betrug, diesem ganzen Jahrmarktsschwindel. Und nicht einmal du, du Krämerseele, hast ihn dir
ausgedacht. Dein Parvenu-Väterchen hat auf diese Weise versucht, Ruhm zu erlangen und einen Adelstitel zu ergattern. Der edle
Herr Krämer von Ungerath, mit einem beschnittenen Groschen im Wappen. Scheiße habt ihr im Wappen, Gebhard. Denn Scheiße ist
euer ganzer Plan.«
»Dafür«, geiferte Gebhard Ungerath, »schneide ich dir die Haut in Streifen vom Leibe, du Häretiker. Du bist verloren! Siehst
du nicht, dass du in der Falle sitzt?«
»Du sitzt in der Falle. Sieh dich doch mal um.«
In der Stille, die plötzlich eintrat, erschienen an beiden Ufern der Olsa weitere Bewaffnete. Es waren mindestens hundert.
Rasch umstellten sie die Brücke. Von beiden Seiten.
»Das sind
. . .
«, Gebhard wies mit flatternder Hand auf das große rote Feldzeichen mit dem silbernen Odrzywąs-Wappen, »das sind Ritter des
Herrn von Krawař! Katholiken! Unsere!«
»Nicht mehr.«
Die überraschten und bestürzten Söldner Ungeraths ließen sich ohne leisesten Widerstand entwaffnen. Reynevan sah, wie Paszko
Rymbaba mit großen Augen um sich blickte und nicht begreifen konnte, warum kelchgeschmückte Hussiten, die sich plötzlich mit
den Bewaffneten des Ritters mit den gekreuzten Äxten im Wappen verbündet hatten, ihm die Waffen abnahmen.Er sah, wie Eberwin von Kranz, weiß wie ein Leichentuch, nicht verstand, warum ihn Mähren vom Wappen Odrzywąs plötzlich entwaffneten
und gefangen nahmen.
Kurz darauf waren sie alle auf dem linken Ufer der Olsa. Während Horn Reynevan und den Polen die Hände schüttelte, trieben
die Mähren ihre früheren Bewacher zu einem Grüppchen zusammen und bewachten sie, die nun ihrerseits Gefangene waren. Da standen
sie mit gesenkten Köpfen, immer noch starr vor Schreck und geschockt: Kranz, Gilbert Ungerath, der kleine Ritter mit dem Cherubsgesicht.
Und Gebhard mit seiner schiefen Gnomgrimasse, seine hervorquellenden Gnomaugen auf den hauptsächlichen Verursacher dieses
Zwischenfalls heftend, den in einer teuren Rüstung steckenden Adeligen mit dem dunklen Gesicht und dem buschigen schwarzen
Schnurrbart. Ein Adeliger, den Reynevan schon einmal gesehen hatte.
In der Tat, dachte er, die Welt ist wirklich klein.
An der Spitze seiner
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