Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
sortieren. Denke ich mal. Trotzdem ist es ungewöhnlich. Normalerweise solltet ihr Menschen uns gar nicht hören. Nicht ein bisschen.«
»Und dieses Martinshorn? War das echt oder hab ich etwa die Schwarze Brigade gehört?«, fragte ich alarmiert. Die Schwarze Brigade wollte ich nicht hören, auf gar keinen Fall. Es war schon schlimm genug, sich vorzustellen, dass in den nächsten Tagen ständig zwei düstere schwarze Wächter um uns kreisten. Meistens verdrängte ich den Gedanken, dass die Luft voll von Wächtern war, aber bei der Schwarzen Brigade gelang mir das nicht.
»Nein, nein. Das Martinshorn war echt und rein von Menschenhand gemacht«, beruhigte mich Leander. »Die Hänflinge hat es erwischt. – Komm hoch zu mir, Luzie, du kriegst kalte Füße da unten, dann wirst du krank, holst dir eine Lungenentzündung und …«
Er schnalzte mit der Zunge und Chantal trat einen unwilligen Schritt auf mich zu. Ehe ich protestieren konnte, hatte Leander mich auf ihren Rücken gezogen. Instinktiv umklammerte ich ihre Mähne, weil ich damit rechnete, dass sie davonstürmte, aber sie schien mich gar nicht zu bemerken. Leander rückte ein Stück rückwärts auf ihren mächtigen Popo zu, sodass ich mich im Schneidersitz ihm gegenübersetzen und ihn ansehen konnte. Seit unserer Fahrt hierher hatte er nicht ein einziges Mal gelächelt. Ich musste widerwillig zugeben, dass ich sein Grübchen vermisste.
»Was meinst du damit: Die Hänflinge hat es erwischt?«, fragte ich unbehaglich.
»Die Fischsuppe. Die Muscheln waren schlecht. Lebensmittelvergiftung«, fasste Leander nüchtern zusammen. »Alle vier.«
Zuerst wollte ich mich darüber freuen, doch das Lachen blieb mir im Hals stecken. Die Muscheln waren schlecht gewesen. Wenn wir nur ein bisschen früher beim Essen gewesen wären, hätte Mama sich auf die Suppe gestürzt. Deshalb also Leanders Aktion mit dem Suppentopf … Er hatte Mama beschützt.
»Exactement, chérie«, beantwortete er gedämpft meine Gedanken. »Im Ernstfall reicht eine einzige verdorbene Muschel. Und die schwamm noch darin herum. Zum Glück magst du keine Meeresfrüchte. Aber deine Mama …«
»Sie ist erwachsen! Sie hat doch eigentlich gar kein Anrecht mehr auf Schutz.«
»Stimmt«, bestätigte Leander. »War eine Sekundenentscheidung. Ich musste es einfach tun. Ich konnte nicht anders.«
»War das denn nicht gefährlich? Ich meine, die Schwarze Brigade war ganz in der Nähe und du beschützt meine Mutter? Das hätten sie doch mitkriegen müssen.«
»Haben sie auch.« Leander ließ seine Hände über Chantals weiches Fell kreisen, als wolle er unschöne Erinnerungen wegschieben. »Sie hatten mich die ganze Zeit im Visier. Irgendetwas an mir passte ihnen nicht. Sie waren misstrauisch. Wahrscheinlich witterten sie meinen Körper. Deshalb haben sie gar nicht erst gemerkt, dass die Muscheln schlecht waren. Aber ich, ich hab es sofort gerochen, obwohl ich noch den Tod in meiner Nase hatte!«
Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich kichern oder mich gruseln sollte. Die Wächter der Schwarzen Brigade hatten auf voller Linie versagt. Dafür mussten sie doch eigentlich bestraft werden. Ob sich die Brigade auch untereinander strafte und verfolgte? Oder hielt sie zusammen, egal, was geschah? Und was war mit den Hempels? Ich hatte sie nicht gemocht, aber den Gedanken, dass sie nun krank waren und in die Klinik mussten, fand ich nicht lustig. Im Gegenteil, irgendwie machte er mir Angst. Ich fühlte mich plötzlich verloren und bedroht, als wäre die Welt zu groß und zu gefährlich für mich.
»Hey, keine Bange. Sie werden es überstehen. Die Kinder hat es auch gar nicht so schlimm getroffen. Sie werden bald wieder auf den Beinen sein. Ihren Urlaub können sie allerdings abhaken.« Das war im Grunde eine gute Nachricht, denn somit waren wir auch die Brigade los, doch Leander wirkte weder glücklich noch entspannt.
»Hättest du nicht schon vorher den Topf umwerfen können, wenn du doch gerochen hast, dass die Suppe verdorben war? Dann wäre überhaupt niemand krank geworden.«
»Nein, aber es wäre jemand gefoltert und gelyncht worden. Nämlich ich«, sagte Leander bitter. »Mische dich niemals in die Pflichten eines Kollegen ein – es sei denn, sein Klient war mal deiner und wird vom Meister der Zeit abgeholt. Es ist zu riskant, Luzie. Sobald wir uns einem anderen Klienten zuwenden, ignorieren wir unseren eigenen. In diesem Punkt versteht die Schwarze Brigade keinen Spaß.«
Chantal trat
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