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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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meine voll aufgedrehten Kopfhörer und zerstörte den Sog des Lieds, in das ich gerade abtauchen wollte. Verbotener Kuss von Schandmaul – der einzige Song, den Leander nicht von meinem MP3-Player gelöscht und durch irgendwelchen französischen Mist ersetzt hatte. Ausgerechnet. Ich liebte Schandmaul nach wie vor und diesen Song erst recht. Er war einer dieser Ohrwürmer, die mich innerlich zum Tanzen brachten. Doch ich verfluchte ihn auch, weil ich dabei immer im Wechsel an Serdan und Leander denken musste. Vor allem an Leander und die Nacht, in der wir unten im Burggraben gelegen hatten und ich nicht wusste, ob er noch lebte, und dann … dann …
    Selbst wenn ich mich noch so anstrengte: Ich würde niemals vergessen, was dann geschehen war. Unseren Kuss würde ich nicht vergessen. Und auch nicht all das, was er davor und danach gesagt hatte. Aber Leander, der konnte das einfach so aus seinem Gehirn löschen. Er war eben ein Sky Patrol. Für Sky Patrol waren Küsse Nebensächlichkeiten.
    »Ich habe dir ’nen Kuss gestohlen …«
    Tja, und wenn ich mich zwang, nicht an Leander zu denken, dachte ich an Serdans Kuss, was nicht unbedingt besser war, denn ich musste beinahe im gleichen Atemzug an das denken, wozu dieser Kuss geführt hatte, und schon befand ich mich wieder bei Leander und seinem Besäufnis und meinem Run über die Ruine und Leanders geschlossenen Augen und seinen Lippen und … Es war ein Teufelskreis.
    »Heribert, bitte! Sie steht! Hilf doch mal!«
    Seufzend schaltete ich auf Stopp. Nun spürte ich es auch. Wir fuhren nicht mehr. Chantal gönnte sich mal wieder eine Pause. Uns war es ein Rätsel, warum sie das tat. Sie trottete nicht etwa zur Seite an die Wiesen und Felder, die sich kilometerweit entlang der Wege aneinanderreihten, um zu fressen. Nein. Chantal blieb einfach reglos stehen. Alle Versuche, sie zum Weitergehen zu bewegen, scheiterten. Selbst Mamas Turnhallenstimme kümmerte sie nicht. Vermutlich war sie taub.
    Der Einweiser hatte uns noch am Morgen eingebläut, wie wir uns in einem solchen Fall verhalten sollten: die Peitsche zucken lassen, »Allez!« rufen und mit der Zunge schnalzen. Uns tat bereits die Zunge weh vom vielen Schnalzen und bei unserer letzten Zwangspause mitten auf einer Dorfstraße war eine Anwohnerin aus ihrem Haus gestürmt und hatte sich beklagt, dass Mamas Rufen ihre kleine Tochter aus dem Mittagsschlaf gerissen habe.
    Das Einzige, was Chantal manchmal doch noch anspornte, war Toastbrot. Wenn gar nichts mehr fruchtete, nahm Papa ein paar Stücke Toastbrot in die Hand und tanzte rufend und lockend vor Chantal auf und ab. Doch nun versagte offenbar sogar die Toastbrotmethode, denn der Wagen rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck.
    Auch ich hatte mich seit Minuten nicht vom Fleck gerührt, weil die Hitze unerträglich geworden war. Aber ich fand es angenehmer, hier drinnen zu liegen und zu dösen, als draußen neben Mama auf dem Kutschbock zu sitzen und mich über Jungs und Parkour ausquetschen zu lassen. Deshalb hatte ich mich auf meine Koje zurückgezogen.
    Mama war sowieso nicht gut auf mich zu sprechen, weil sie mein plötzliches Lachen inmitten unseres Mutter-Tochter-Gesprächs in den falschen Hals bekommen hatte. Sie hatte mir gerade in der sengenden Mittagssonne einen Vortrag über Verhütung gehalten, als ich sah, wie Leander sich einen Spaß daraus machte, Papa nachzuahmen. Papa zog es nämlich vor, neben dem Wagen herzulaufen. Er wollte diesen Urlaub nutzen, um etwas für seine Gesundheit zu tun, wenn er schon nicht arbeiten durfte. Also marschierte er in seinem Reisesakko und mit einer Miene neben Chantal her, die Hände im Rücken gefaltet, als ginge es zu einer Beerdigung. Leander hatte seine Haltung und sein Gesicht exakt kopiert und es hatte zu komisch ausgesehen, wie Papa und mein Sky Patrol nebeneinanderher gestiefelt waren.
    Mama aber interpretierte mein Lachen sofort als Desinteresse an ihren Ausführungen und überdies als reine Provokation und Respektlosigkeit meinen Eltern gegenüber. Doch nun klangen ihr Rufen und ihr »Allez, allez!« so verzweifelt, dass ich mich in einer eleganten Drehung aus der Koje fallen ließ und zu ihr nach draußen krabbelte.
    »Heribert, mach doch mal etwas!«, brüllte sie.
    »Ich versuche es, liebste Rosa, ich versuche es.« Papa wedelte mit einem Bündel Toastbrot vor Chantals Nüstern herum, doch Chantal hatte beschlossen, Mittagsschlaf zu halten. Ja, sie schlief. Das erkannte ich an ihrem eingeknickten

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