Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
einem hallenden Paukenschlag zwischen meine Träume und ich war sofort hellwach. Ein Bild, das sich zwischen meine Träume geschoben hatte und mich weckte? Gehörte es zu einem neuen Traum? Aber warum war ich dann wach? Verwirrt versuchte ich, mich zu sortieren. Ja, da war es immer noch, klar und deutlich und in Farbe. Vor meinen geschlossenen Lidern sah ich die aufgepeitschte, stürmische See und einen pechschwarzen Himmel, im Hintergrund eine Insel, die immer näher kam, als würde ich darauf zufliegen … Aber ich lag steif vor Schreck auf dem Boden. Und ich befand mich in Frankreich, nicht über dem Meer. Genauer: in einem kleinen Wäldchen im Elsass, wo ich darauf wartete, wieder sichtbar und rein menschlich zu werden. Es roch nach Tannennadeln und trockenem Laub und ich fühlte Blätter und Zweige unter meinen Händen.
    Doch die Bilder beunruhigten mich. Sie passten nicht hierher. Wie konnte ich Bilder sehen, die nicht zur Realität passten, wenn ich wach war? Und wieso hörte ich Musik dazu? Denn es legten sich tiefe, dramatische Mollakkorde unter die Bilder, die nun erneut von kräftigen Paukenschlägen untermalt wurden. Sofort rollte ich mich zu einem kleinen Paket ein und umklammerte meine Knie mit den Armen. Die Musik schüchterte mich ein. Noch immer sauste ich ungebremst auf die Insel zu – da, ich erkannte einen sandigen Küstenstreifen mit Palmen, verlor an Höhe, konnte den einsamen Strand sehen, hinter dem der Urwald begann … Baumkronen, dicht an dicht … ein Meer aus Grün. Nein, hier war ich noch nie gewesen. Und vielleicht verschwanden diese Bilder, sobald ich mich aufsetzte und meine Augen öffnete. Möglicherweise stand ich unter Schock. Mir leuchtete zwar nicht ein, wieso man unter Schock Bilder von fernen Inseln sah und Paukenschläge hörte, aber immerhin geschah es nicht täglich, dass man plötzlich unsichtbar wurde und gleichzeitig seinen besten Freund verlor.
    Bester Freund? Ich schnaubte abfällig. Ein bester Freund ließ einen nicht allein. Sollte er doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Ja, sollte er Sky Patrol auf ewig dienen und mich vergessen, aber dann bitte auch konsequent, denn auf dieses nervenaufreibende Hin und Her hatte ich keine Lust mehr. Bisher war Leander immer zurückgekehrt, doch ich erinnerte mich mit Grauen an mein stundenlanges Heulen nach der Klassenfahrt, weil ich dachte, ich hätte ihn umgebracht.
    Ich wollte nicht mehr stundenlang heulen – nicht wegen Leander. Nicht eine einzige Träne wollte ich seinetwegen vergießen. In ein paar Wochen würde ich mich daran gewöhnt haben, dass er fort war, und dann würde alles so werden wie vorher und es gäbe keine ausweglosen Situationen mehr, die mich in Schockzustände versetzten oder zum Heulen brachten, als würde die Welt in der nächsten Sekunde untergehen.
    Nein, ich würde hier sitzen bleiben und warten, bis ich wieder normal war, und dann würde ich auch ein normales Leben führen, ohne unnormale Wächter, die mein Taschengeld in Duschgel investierten und mich nachts vom Schlafen abhielten, weil sie mir Fragen und Antworten aus dem Dr.-Sommer-Team vorlasen. Mit der Vorbereitung dieses normalen Lebens würde ich exakt jetzt anfangen. Ich würde die Augen öffnen und diese seltsamen Inselbilder und Klänge vertreiben. Punkt 1. Punkt 2 …
    Ich japste erschrocken nach Luft. Die Bilder waren immer noch da, genau wie die Paukenschläge und Ackorde, doch nun jagte eins das andere in fliegendem Wechsel, so schnell, dass ich kaum folgen konnte. Und gleichzeitig so brutal, dass ich mir die Hände vors Gesicht schlug, obwohl auch das nichts änderte. Ich konnte die Bilder nicht ausblenden, nichts gegen sie ausrichten. Ich sah einen Mann, der auf offener Straße erschossen wurde, und sein Blut lief in dunkelroten Schlieren den Rinnstein hinunter, ich sah eine Frau, deren Körper über und über von eitrigen Pusteln bedeckt war, ein kleines Mädchen, das von mehreren maskierten Jungen verprügelt und zusammengetreten wurde, bis es reglos auf einem schmutzigen Weg liegen blieb, ich sah einen Fels, der sich löste, ins Meer stürzte und eine riesige Welle auslöste, die ganze Dörfer und Städte unter sich begrub. Alle ertranken. Und niemand half … niemand … Doch das Schlimmste war, dass auf jedem dieser Bilder Leander neben den Menschen stand und seine Gestalt von Bild zu Bild blasser und durchsichtiger wurde, bis ich nur noch ein schwaches bläuliches Glimmen erkennen konnte … Er verschwand! Er löste sich

Weitere Kostenlose Bücher