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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ihren Verstand verloren. Wusste Leander etwa mehr darüber als ich? Konnten Wächter es wittern, wenn Menschen über Nacht geisteskrank wurden? Denn genau das dachte ich in diesem Moment. Mama hatte einen Knick im Gehirn. Sie sah ihre eigene Tochter nicht mehr. Oder sollte ihr Verhalten eine besonders außergewöhnliche Strafe wegen meiner Parkour-Lügen sein? Hatte sie das bei der Super-Nanny gesehen und wollte es nun auch bei mir anwenden?
    Leander lockerte seinen Klammergriff nicht, sosehr ich mich auch dagegen wehrte.
    »Halt gefälligst still!«, zischte er, als Mama die Bettdecke anhob und prüfend darunterlugte. Die leise Hoffnung in ihrem Gesicht fiel sofort wieder in sich zusammen. Dicke Tränen liefen über ihre Wangen und blieben an ihrem zitternden Kinn hängen.
    »Heribert!«, kreischte sie und trampelte mit eingezogenem Kopf nach draußen. »Heribert, sie ist nicht hier! Hast du sie gefunden?«
    »Schuhe an! Schnell!«, befahl Leander und riss mich mit sich von der Koje. Unsanft schlugen wir auf dem Dielenboden auf, aber unser Sturz verursachte kein Geräusch.
    »Warum?«, fragte ich belämmert und zuckte erneut zusammen. Das unangenehme Klirren in meiner Stimme war immer noch da. Doch Leander hatte mir meine Sneakers schon über die nackten Füße gestreift. Ansonsten trug ich die Klamotten, mit denen ich übermüdet in die Federn gefallen war: mein graues Tanktop und meine schwarze, dünne Cargohose.
    »Im Wäldchen ist sie nicht!«, schallte Papas Stimme zu uns herüber. Es war nicht zu überhören, dass auch er sich Sorgen machte. Mama war bereits wie von Sinnen und schluchzte unkontrolliert vor sich hin.
    »Wo mag sie nur sein? Luzie! LUZIE!«
    »Hier!«, schrie ich aus Leibeskräften, doch das Klirren in meinem Kopf ließ mich in die Knie sacken. Mama und Papa reagierten nicht. Vielleicht war Papa noch zu weit weg, um mich zu hören. Ich musste zu ihnen, nach draußen … Sie würden ja wohl nicht alle beide den Verstand verloren haben. Oder war irgendein Betäubungsmittel im Wein gewesen?
    »Luzie, du tust jetzt, was ich dir sage, compris?«, herrschte Leander mich an. »Lauf mit mir rüber in den Wald, so schnell du kannst. Du darfst weder deine Mutter noch deinen Vater berühren. Auf gar keinen Fall!«
    »Aber …«
    »Nichts aber. Ich erkläre dir alles, wenn wir im Wald sind. Komm …«
    Er zerrte mich am Handgelenk aus dem Wagen. Es kümmerte ihn nicht, dass ich auf der Stiege stolperte und mir die Hose zerriss. Ich stemmte wütend die Beine in den Boden, um ihn am Laufen zu hindern, wenn er mich schon nicht losließ, doch es zeigte keinerlei Wirkung. Er schleifte mich über die Wiese, als sei ich ein Stück Stoff, und nicht ein Grashalm knickte unter meinen Füßen um. Ich begann mit meinen Beinen zu strampeln, mich zu winden und zu zappeln, um ihn loszuwerden, doch meine Bewegungen schienen Leander nur zu beschleunigen und ihm zusätzliche Kraft zu verleihen.
    Mamas besorgte Rufe dröhnten noch immer in meinen Ohren, als Leander endlich auf einer kleinen, sonnenbesprenkelten Lichtung stoppte. Sein Griff blieb unbarmherzig fest. Ich schaffte es nicht, seine Finger zu lösen.
    »Luzie, nein … Ich bin stärker. Lass es. Und jetzt hör mir zu. Luzie!« Er schüttelte mich heftig. »Zuhören, bitte …«
    »Was ist mit Mama los? Warum sieht und hört sie mich nicht? Ist sie betrunken? Ist sie krank? Sag es mir, du musst es doch wissen …«
    »Sie ist nicht krank und auch nicht betrunken. Sie ist völlig gesund. Dein Papa auch.« Leander seufzte schwer – ein Seufzen, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Fröstelnd schlang ich meinen freien Arm um den Bauch.
    »Aber warum sieht sie mich dann nicht?«, fragte ich flehend. »Warum?«
    Leander schaute mir direkt in die Augen und sein Blick zog mir den Boden unter den Füßen weg. Alles wirbelte durcheinander und doch blieb ich steif stehen, als wäre ich verzaubert worden. Mit einem ganz besonders miesen Zauber. Vielleicht war ja alles nur ein blöder, alberner Traum und ich würde in der nächsten Sekunde aufwachen und darüber lachen. Genau, das ist die Lösung, es ist ein Traum, redete ich mir ein. So etwas passiert einem nicht in der Wirklichkeit. Es muss ein Traum sein.
    »Sie sieht dich nicht, weil …« Leander zögerte und plötzlich sah ich, dass sein rechter Augenwinkel feucht glitzerte. Es war kein Schweiß. Das war eine Träne. »Weil sie dich nicht sehen kann. Nicht sehen und nicht hören. Niemand kann dich sehen. Du bist

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