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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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auf!
    »Nein!«, schrie ich und schüttelte den Kopf, um wenigstens die Musik aus meinen Ohren zu vertreiben, denn zusammen mit der Flutwelle mischten sich schrille, schräge Akkorde in die tiefen Bassklänge, wie ein Konzert aus Trillerpfeifen, und das machte die Bilder noch grausamer, als sie ohnehin schon waren. Es nützte nichts, ebenso wenig, wie es etwas änderte, die Augen wieder zu schließen. Die Bilder waren an die Töne gekoppelt, und solange ich die Töne hörte, würden auch die Bilder nicht verschwinden. Sie waren in meinem Kopf!
    Mein zweites »Nein« fiel nur noch gedämpft aus, weil die Bilder und Klänge Energie aus mir zogen und meinen ganzen Körper beben ließen. Doch mit einem Mal herrschte vollkommene Stille. Die Bilder zerstreuten sich in Sekundenschnelle.
    Ich merkte, dass ich mich greinend wie ein Baby in eine Laubkuhle drückte, und stützte vorsichtig den Kopf auf meine Arme. Ja, ich befand mich noch immer in dem Wäldchen. Alles wie gehabt. Keine Insel, keine Schießereien, keine Toten. Keine schlecht komponierte Kriegsmusik.
    »Nathan, tu es nicht …«
    Okay, alles klar. Ich stöhnte leise auf, einerseits vor Erleichterung, andererseits vor Unwillen und Angst. Ich kannte nur einen Nathan und ich kannte nur eine »Frau«, die seinen Namen so abschätzig und strafend aussprach, wie es eben geschehen war. Ich richtete mich benommen auf, sodass ich durch die niedrigen Büsche auf die Lichtung blicken konnte, von der die Stimme gekommen war.
    Ich hatte mich nicht getäuscht. Leanders Eltern waren hier. Eine grautransparente und eine blutrottransparente Silhouette, die unruhig auf und ab schwebten. Einmal John F. Kennedy und einmal eine Art schlecht frisierter Fünfzigerjahre-Filmstar. Ich verzog abschätzig den Mund. Leanders Mutter hatte einfach keinen Geschmack.
    »Vielleicht ist er noch in der Nähe, und du weißt, wie eigensinnig er ist. Es könnte ihn anlocken. Das letzte Mal, als wir mit ihm redeten, bestand er darauf, Menschisch zu sprechen.«
    Ich bestehe auch darauf, dachte ich müde. Langsam dämmerte mir, was eben geschehen war. Ich hatte ihre Sprache gehört und gesehen. Nein, genau das war ihre Sprache! Sie kommunizierten in Musik und Klangfolgen, das hatte Leander mir erklärt. Ich hatte mir das früher nie vorstellen können, doch nun wusste ich, dass diese Klangfolgen Bilder erzeugten. Viel zu deutliche Bilder … Außerdem …
    »Ach du Scheiße«, flüsterte ich. Ich, ein Mensch, hatte die Sprache von Sky Patrol gehört! Ich hatte sie zwar schon vorher hören können, wenn auch nur die von Leanders Familie – ein Umstand, der ihm ein Rätsel war, aber bei Nathans Körperfluch war ja einiges schiefgegangen. Immerhin sollte ich Leander eigentlich auch nicht sehen können. Doch früher hatten die Dialoge der Cherubims lediglich ein unangenehmes Klirren und Sirren ausgelöst, das meine Ohren fast zum Bluten gebracht hatte, wenn sie alle durcheinanderquasselten. Nun hatte ich Musik gehört – fremdartige und einschüchternde Musik. Hitverdächtig war sie nicht gerade. Aber sie unterschied sich deutlich von dem Sirren und Klirren, das ich vorher wahrgenommen hatte, wenn die Truppe aufgetaucht war. Vor allem hatte dieses Sirren in meinem Kopf keine Bilder erzeugt. Ich war also nicht nur unsichtbar für alle anderen Menschen und hatte – laut Leander – ein silbriges Schimmern auf der Haut, sondern verstand auch seine Familie. Und doch verstand ich sie nicht, dachte ich entmutigt. Denn ich hatte keine Ahnung, was sie mit diesen grässlichen Bildern gemeint und gewollt hatten. Worüber nur hatten sie eben geredet?
    Noch immer schwebten Nathan und Clarissa – heute in einer schlecht geschnittenen Bundfaltenhose und einer weißen, engen Bluse, die sich über ihre Torpedobrüste spannte – einige Zentimeter über dem Boden und sahen sich suchend um. Blitzschnell schmiegte ich mich wieder in meine Laubkuhle. Verdammt, sie durften mich doch nicht entdecken! Und vor allem durften sie nicht spitzkriegen, dass ich sie hören und sehen konnte!
    Aber ihnen schien nichts Außergewöhnliches aufgefallen zu sein. Dabei hatte ich vorhin noch laut geschrien …
    »Nein. Ich kann ihn nicht orten. Er ist nicht da!«, schrillte Clarissas Stimme nach einigen stillen Sekunden durch das Wäldchen. Gut. Sie blieben also beim Menschisch. Leanders Familie liebte es, Menschisch zu sprechen, obwohl es Sky Patrol nur in Extremsituationen gestattet war. Aber wenn die Cherubims mal damit angefangen

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