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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Stillliegen zur Qual wurde, weil die Mücken mich in Schwärmen heimsuchten und aggressiv meine Haut zerstachen. Mein Blut schien also noch zu schmecken. Jeder einzelne Stich machte mir Hoffnung. Wenigstens nahmen Tiere mich wahr. Also war ich da. Punkt. Fertig. Aus.
    Und jetzt musste ich nachdenken, gründlich nachdenken, was nicht gerade meine größte Stärke war, aber das Einzige, was ich in dieser bescheuerten Situation tun konnte. Doch bevor ich damit anfing, wollte ich mich vergewissern, dass sich das Nachdenken auch lohnen würde. Ich hegte die leise Hoffnung, dass ich schon wieder sichtbar und hörbar war, und es gab nur einen Weg, das auszutesten – ich musste mich anderen Menschen präsentieren. Zwei bestimmten Menschen. Meinen Eltern.
    Leander würde Chantal kaum zurückgebracht haben. Wenn ich Glück hatte, waren Mama und Papa also noch am Lagerplatz. Sie konnten den Wagen ja schlecht selbst ziehen. Außerdem würden sie auf mich warten wollen und mich weiterhin suchen. Ich schluchzte kurz auf, als ich mir vorstellte, wie sie immer und immer wieder das kleine Wäldchen durchforstet hatten, während ich in nächster Nähe in meiner Kuhle gelegen und geschlafen hatte.
    Dennoch – die Heulerei musste ein Ende haben. Widerwillig trank ich etwas Wasser und aß ein paar Bissen von dem staubtrockenen Schokocroissant, denn Essen und Trinken waren nun mal Dinge, die lebendige Menschen taten. Ebenso wie hinter einen Busch zu pinkeln, wobei ich in meinem aktuellen Zustand eigentlich keinen Busch brauchte. Eine durchaus praktische Seite des Unsichtbarseins.
    Mit einem unwohlen Gefühl im Bauch nahm ich den schmalen Pfad, über den ich heute Morgen noch Leander verfolgt hatte, und lief langsam aus dem Wäldchen heraus zur Wiese. Der Wagen stand unverändert an seinem Platz, und wie ich es geahnt hatte, war Chantal nicht zurückgekehrt. Doch ich entdeckte ein Polizeiauto, das am Rand der Landstraße geparkt worden war. Stimmen drangen zu mir herüber – die fremde Stimme eines Mannes und Mamas verschnupftes Tröten. Sie musste fürchterlich geweint haben.
    Während ich mich zögerlich näherte, schusterte ich mir im Kopf eine Erklärung zusammen, die ich Mama und dem Bullen präsentieren konnte, falls sie mich denn wahrnehmen konnten: »Wollte pinkeln gehen, bin über eine Wurzel gestolpert, in eine Kuhle gestürzt, mit dem Hinterkopf auf einen Stein gefallen, ohnmächtig geworden, eben erst wieder aufgewacht. Und da ich so versteckt gelegen habe, hat mich niemand finden können.« Ja, das müsste hinhauen. Angesichts meiner auf drei armdicke Ordner verteilten Krankenakte musste Mama mir das glauben.
    »Bitte, bitte, bitte. Bitte nehmt mich wahr«, flehte ich, als ich vor den Wagen trat und Mama fest ansah.
    Neben ihr streckte der Polizist seinen sonnenverbrannten Kopf aus der Eingangsluke.
    »Madame Morgenroth? Wir ’aben ein Paar Schüh gefunden!« Er hielt einen Plastikbeutel mit zwei alten, zerfledderten Boots in die Höhe.
    Ach du Heiliger. Leanders Schuhe! Er hatte sie hier vergessen und sie waren sichtbar geworden!
    »Sind das die Schüh Ihrer kleinen Tochter?«, fragte der Bulle und zog an seiner Zigarette.
    »Hallo«, sagte ich laut. Doch keiner der beiden reagierte. Ich presste die Lippen zusammen, um meine Tränen in Schach zu halten. Vielleicht hatten sie mich nicht gehört, sie waren schließlich gerade mit »die Schüh« beschäftigt.
    »Hallo, Mama! Ich bin zurück!«
    Wieder keine Reaktion. Mama betrachtete mit verquollenen Augen die Plastiktüte. Ich hielt die Luft an. Mama hatte diese Boots schon einmal gesehen – nämlich kurz vor Weihnachten, als Leander sie in die Waschmaschine geschmissen und Mama sie entdeckt hatte. Leanders Kleidung durfte niemals zu lange von seinem Körper entfernt bleiben, weil sie sonst sichtbar wurde. Genau das war geschehen. Damals hatte ich mich damit herausgeredet, dass all die Sachen in der Maschine Serdan gehörten. Wenn Mama die Schuhe nun wiedererkannte, würde sie Serdan in Verdacht haben, mir etwas angetan zu haben, und dann …
    »Nein, das sind nicht die Schuhe meiner Tochter. Meine Tochter hat Schuhgröße 36. Diese Schuhe kenne ich nicht. Was hat das zu bedeuten? Wo waren die Schuhe? Wo haben Sie sie gefunden?« Mamas Stimme war zwar immer noch laut, klang aber ungewöhnlich kraftlos und heiser.
    »In die Bette«, antwortete der Polizist freundlich und machte eine kleine Verbeugung. »’at Ihre kleine Tochter eine Freund? Ist sie mit Freund

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