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Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch

Titel: Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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wichtiger war mir, dass die beiden Frauen nicht über meine Hose stolperten und …
    »Kacke«, entfuhr es mir. Sie hatten sie gefunden. Plappernd zogen sie sie unter der Wurzel hervor, wobei beide Handys aus den Taschen fielen. Prost Mahlzeit. Der dünne braune Hund der Joggerinnen jagte kläffend im Kreis um sie herum. Offenbar fand er das alles oberspitzenklasse, ganz im Gegensatz zu uns. Serdan begann auf Türkisch zu fluchen und das war bei ihm ein ernst zu nehmendes Alarmzeichen. Unauffällig zog ich mich ein paar Schritte von ihm zurück.
    »Dir ist klar, was das bedeutet, Luzie, oder?«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Die haben unsere Klamotten und unsere beiden Handys gefunden.«
    »Aber nicht unsere Unterwäsche«, versuchte ich, ihn zu besänftigen. »Wir sind nicht nackt.«
    »Ja, genau. Und sie werden glauben, dass wir entweder beim Baden ertrunken sind oder verschleppt wurden, wahrscheinlich von irgendeinem Triebtäter … Ich geb uns noch eine Viertelstunde, dann stürmen die Bullen diesen Flussabschnitt und suchen alles ab. Und ich will nicht in meiner Unterhose gefunden und festgenommen werden.«
    »Ich auch nicht«, stimmte ich ihm zu. Es gehörte zu unserem Parkour-Ehrenkodex, uns nicht von der Polizei erwischen zu lassen. Und der galt auch für diese Situation. Darüber brauchten Serdan und ich gar nicht erst zu reden. Wenn schon, dann wollten wir uns selbst stellen, doch erwischt zu werden, war tabu. Trotzdem unternahm ich einen letzten Versuch, auszuweichen und die Situation hinauszuzögern. »Außerdem ist mir kalt. Vielleicht können wir uns irgendwo ein wenig in die Sonne legen und – okay, ist ja gut …«, beeilte ich mich, klein beizugeben, als Serdan mich so vorwurfsvoll anfunkelte, dass ich es beinahe mit der Angst zu tun bekam. »Wir müssen telefonieren. Ich sehe es ein. Wir müssen unsere Eltern anrufen.«
    Ich gab auf. Ich würde es ja doch nicht schaffen. Außerdem brachte mein schlechtes Gewissen mich fast um. Dass Mama dachte, wir seien durchgebrannt, konnte ich gerade noch so akzeptieren. Aber Klamotten, die am Ufer lagen, ohne die Menschen, die dazugehörten – das war gruselig. Das war exakt das, was ich schon öfter in Zeitungen gelesen hatte. Im gleichen Atemzug hatte ich heimlich darum gebetet, dass es mir selbst niemals passieren würde. Immer wenn ich so etwas las, dachte ich sofort an Mord. Und meistens steckte auch ein Mord dahinter. Tage, Wochen oder Monate später fanden sie die Leiche und erst dann wurde die vermisste Person für tot erklärt und ich fragte mich jedes Mal, wie die Eltern, Freunde und Angehörigen diese lange Wartezeit überstanden, ohne verrückt zu werden … Ich hoffte, dass Papa niemals eine solche Leiche in seinen Keller geliefert bekommen würde. Eine solche Leiche wollte ich nicht sehen.
    Nein, ich konnte Mama und Papa das nicht antun. Diese Angst sollten sie nicht durchmachen.
    Als ich begriff, dass alles verloren war und ich klein beigeben musste, kam ich mir vor wie ein Gummitier, dem die Luft ausging. Ich fiel in mich zusammen, spürte mit einem Schlag meinen quälenden Hunger und Durst, den Sonnenbrand und die schmerzenden Muskeln in Rücken, Armen und Beinen. Ich wendete mich von Serdan ab und stapfte durch den Schlick, um ans Ufer zu gelangen, kam aber kaum vorwärts. Zu tief sanken meine Füße in den klebrigen Morast ein.
    »Wir müssen noch mal schwimmen, Katz«, brummelte Serdan überraschend friedfertig. »Ich hab da vorne bei der Brücke Autos gesehen, als wir hier rübergetaucht sind. Vielleicht ist dort ein Dorf.«
    Ein Dorf, vor dessen Einwohnern wir klatschnass und in Unterwäsche durch die Straßen laufen sollten? Doch im Moment war mir das beinahe egal. Ich würde alles tun, um Mama und Papa von dem Gedanken zu befreien, ich sei vergewaltigt und umgebracht worden. Leander verdrängte ich beharrlich, doch ich spürte, wie die Tränen immer heftiger in meiner Kehle nagten. Seine Truppe würde ihn nach Guadeloupe schicken und niemals würde ich es schaffen, nach Guadeloupe zu gelangen … Ab jetzt würde ich im geschlossenen Vollzug leben. Hemshof für immer. Abgesehen davon hatte ich kein Geld für einen Flug in die Karibik. Ich würde es erst haben, wenn Leander schon längst auf die andere Seite gerissen worden war. So, wie es seinen Eltern am liebsten war. Keine neue Schande mehr für die Cherubims.
    Abseits des Dickichts nahm die Strömung Serdan und mich mit, sodass wir uns kaum anstrengen mussten

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