Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
Kücheneinrichtung, ein kleiner Fernseher, auf dem gerade ohne Ton MTV lief, eine gemütliche Sitzecke samt Tisch und ein breites Bett, übersät mit wild gemusterten Kissen. Was sich zu meiner Rechten befand, konnte ich nicht genau erkennen, da ein samtener Vorhang den Rest des Innenraums abtrennte. Ich vermutete, das Klo und eine Dusche, doch es war trotz des summenden Stromgenerators so still, dass ich sichergehen konnte, der einzige Mensch in diesem Wagen zu sein.
Trotzdem setzte ich kaum die Füße auf den teppichbelegten Boden, als ich zur Tür schlich und Serdan öffnete.
»Komm rein«, flüsterte ich. »Du suchst den Schlafbereich ab und ich die Schränke, okay? Beeil dich, die wollen bestimmt gleich abreisen …«
Serdan begann, die Kissen anzuheben und darunterzuschauen, während ich eine Schranktür nach der anderen aufklappen ließ. Die Fächer waren vollgestopft bis zur Oberkante, aber leider mit Gegenständen, die ich nicht gebrauchen konnte: Geschirr, Klamotten, Bücher, CDs und Nähzeug. Verflucht, hier musste es doch irgendwo ein Telefon geben. Vom Schlafbereich her ertönte plötzlich ein gedämpfter Aufprall und das helle Bimmeln eines Schellenkranzes.
»Serdan!«, zischte ich. »Was treibst du da?«
»Sorry. Runtergefallen. Hier liegen überall Instrumente herum …«
Noch einmal sah ich mich um, während die Nässe aus meinem Tanktop tropfte und dunkle runde Flecken auf dem Teppichboden hinterließ. Vielleicht neben dem Fernseher? Mama hatte die Angewohnheit, Handy, Telefon und Fernbedienung nebeneinander auf dem Sideboard zu positionieren, weil sie das als ordentlich empfand. Möglicherweise ging es den Bewohnern dieses Wagens ähnlich. Ich machte einen Schritt nach vorne und lugte in das schmale Regalfach über dem Flat.
»Ha!«, rief ich unterdrückt und griff nach dem silberfarbenen Smartphone, das mir aus dem Dunkel des Fachs entgegenfunkelte.
»Ha!«, äffte mich eine fremde, rauchige Stimme nach, etwas weniger triumphierend als meine, dafür aber ironischer und warnender. Meine Hand blieb in der Luft hängen und das Rascheln der Kissen aus dem Schlafbereich nahm ein plötzliches Ende. Oh nein. Wir waren erwischt worden. Die rauchige Stimme begann melodisch zu kichern.
»Mon dieu …«, sagte sie nach einigen Hihis und Hahas und prustete erneut. Es war keine alte Stimme. Eher jung. Jugendlich vielleicht sogar. Nicht viel älter als ich. Auf jeden Fall war es keine gewalttätige Stimme, redete ich mir ein. Langsam und mit erhobenen Händen drehte ich mich um.
Vor mir stand ein schlankes Mädchen mit langem schwarzem Haar und schrägen dunkelgrünen Augen, das mich frech angrinste. Der Hammer in seiner Hand gefiel mir allerdings gar nicht und die Art, wie das Mädchen ihn hielt, auch nicht. Die würde zuschlagen, wenn es drauf ankam. Hinter mir kroch Serdan aus dem Bett und erhob sich, das konnte ich am verdutzten Blick des Mädchens erkennen.
»Mon dieu«, wiederholte sie sich, dieses Mal aber in einem deutlich verlegenen Flüsterton und auch ihr Kichern klang einen Tick verlegener als vorher. Sie schirmte sich mit dem Arm die Augen ab, blieb aber stehen und den Hammer ließ sie auch nicht los. Blöderweise war mein Französisch vor lauter Schreck wie weggewischt. Ohne es zu wollen, fiel ich ins Deutsche.
»Bitte verrate uns nicht, bitte nicht! Wir brauchen nur kurz ein Handy, mehr nicht, dann sind wir weg, versprochen!«
Das Mädchen ließ den Arm sinken und blickte mich forschend an. Ihr Mund zuckte, weil sie schon wieder lachen musste, obwohl ich in ihren Mandelaugen auch Angst und Misstrauen erkennen konnte.
»Was ist hier eigentlich so lustig?«, fragte Serdan.
Das Kichern ging in ein melodisches Lachen über. Es war schwierig, nicht einzustimmen, obwohl mir selten weniger zum Lachen zumute gewesen war als in diesem angespannten Augenblick.
»Deutsche, was?«, fragte das Mädchen mit starkem Akzent. »Oh, das ist wirklich lustig. Sinti, die beklaut werden. Sonst sind wir doch immer diejenigen, die klauen. Und jetzt haben wir zwei Einbrecher in unserem eigenen Wohnwagen. Zwei nackte Einbrecher.« Wieder musste sie lachen und nun konnte ich mich nicht länger beherrschen. Ich lachte mit, was mir einen vorwurfsvollen Rempler von Serdan einbrachte.
»Wir sind keine Einbrecher. Wir müssen nur dringend telefonieren. Unsere eigenen Handys sind – verloren gegangen«, erklärte ich vage.
»Ah. Verloren gegangen. Und wieso fragt ihr uns dann nicht einfach, ob wir euch eins
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