Luzie & Leander - 04 - Verblüffend stürmisch
geschmissen hatte. Und da hatte sich immer das Gleiche abgespielt: Ich blieb im Wasser, bis meine Lippen blau wurden, drehte Vorwärts- und Rückwärtsrollen, versuchte, auf den Händen zu laufen, veranstaltete mit den anderen Tauch-Challenges und Wettschwimmen. Mit Vorliebe Wettschwimmen. Genau zu einem solchen Wettschwimmen würde Serdan mich nun herausfordern, damit er plötzlich unbemerkt kehrtmachen und zurück an Land hechten konnte, wo er nur noch das Handy aus meiner Hose ziehen und an sich nehmen musste. Wie raffiniert!, dachte ich spöttisch. Aber nicht raffiniert genug …
»Guck weg, ich zieh mich jetzt aus!«, rief ich. Serdan drehte sich artig um. Wunderbar. Ich schlüpfte aus meiner Hose, wickelte sie zu einem handlichen Paket zusammen und klemmte sie unter eine Wurzel. Das würde mir Zeit verschaffen, falls es ihm gelang, ans Ufer zu sprinten, bevor ich es bemerkte. Denn im Gegensatz zu ihm wusste ich, wo meine Hose steckte. Dann erlaubte ich mir noch einen kleinen Spaß und warf seine Hose hoch in die Baumwipfel, wo sie äußerst dekorativ zwischen zwei Zweigen hängen blieb. Sein T-Shirt zog ich erst durch den Schlamm, bevor es sich zur Hose gesellen durfte. Perfekt. Ich beschloss, nicht nur meinen Slip, sondern auch mein Tanktop anzubehalten. Es konnte eine Wäsche vertragen und außerdem hatte ich nichts drunter. Bei den sommerlichen Temperaturen würde es rasch wieder trocknen.
»Luzie«, tönte es warnend aus dem Wasser. »Mach schon, schnell …«
Erschrocken drehte ich mich um, doch Serdan wendete mir weiterhin brav seinen drahtigen, braun gebrannten Rücken zu.
»Luzie, bitte … da sind Leute …«
Schon war er untergetaucht und im gleichen Moment entdeckte ich sie ebenfalls: zwei Joggerinnen, deren T-Shirts bunt durch die Büsche leuchteten. Pink und Lila. Mama, ich vermisse dich, dachte ich plötzlich angesichts der so vertrauten Bonbonfarben, doch trotz meiner jäh aufwallenden Sehnsucht nach meinen Eltern ließ ich mich fallen und kroch auf allen vieren durch das Röhricht ins Wasser. Schlingpflanzen berührten schleimig meine Füße und schienen nach mir greifen zu wollen, als ich beherzt untertauchte und die Augen öffnete. Der Fluss war so trüb, dass ich kaum etwas erkennen konnte. Mit kräftigen Zügen schwamm ich vom Ufer weg und dem hellen Punkt vor mir entgegen, den ich für Serdans Körper hielt, bis mein Sauerstoff knapp wurde. So leise wie möglich tauchte ich auf, schnappte nach Luft und sah mich um. Die Joggerinnen hatten fast die Lichtung am Ufer erreicht – noch ein, zwei Meter, dann würden sie uns sehen können …
»Runter«, befahl Serdan und sofort tauchten wir ab, fort vom Ufer und die Biegung des Seitenarms entlang, wo wir immer wieder kurz nach Luft schnappten und unter Wasser weiterschwammen. Meine Beine wurden kalt und müde, doch noch hatte ich ausreichend Kraft übrig. Nach einer weiteren Biegung gab Serdan mir unter Wasser mit erhobenem Daumen das Zeichen, dass wir in Sicherheit waren. So unauffällig wie möglich ließen wir uns nach oben gleiten. Ich hätte gern gequiekt und gestrampelt, denn diese »Sicherheit« war ein riesiger Schilfhain. Meine Füße versanken im Schlick und die Wasseroberfläche war bedeckt von giftgrünen Algen. Es stank faulig. Ab und zu stiegen Bläschen an die Oberfläche und zerplatzten mit einem leisen Zischen. Angeekelt wischte ich mir den Mund ab. Ich ekelte mich vor kaum etwas, aber der Gestank des Schlamms unter uns war widerlich. Ein Frosch sprang auf einen vermoderten Ast, der schwarz-silbern in der Sonne glitzerte, und blähte pumpend seinen Bauch auf. Ich strich ihm mit der Fingerspitze über seinen grün gepunkteten Rücken. Frösche mochte ich und irgendwie beruhigte dieses Tier mich ein wenig. Wenn ich es betrachtete, rückte der faulige Geruch in den Hintergrund.
Serdan entfernte sich ein paar Algen von den Schultern und linste durch die Schilfhalme.
»Scheiße … oh nein, Scheiße …«, knurrte er.
»Was ist denn?« Ich riss meine Augen von dem Fröschlein los. »Scheiße«, echote ich, als ich sah, was er meinte. Die beiden Joggerinnen hatten Serdans Hose und sein T-Shirt im Baum entdeckt und stocherten mit zwei Ästen darin herum, um sie runterzuholen.
»Warum hängen meine Klamotten im Baum?«, fragte Serdan mit einem bedrohlichen Unterton in der Stimme. Doch ich nahm mir ein Beispiel an ihm und beschloss, dass ich momentan nicht reden wollte. Er konnte sich denken, warum ich das getan hatte. Viel
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