Luzifer
Fingerspitzen, als wollte sie auf den Tasten eines Klaviers spielen. Statt dessen berührte sie nur bestimmte Stellen und füllte sie mit ihrer schrecklichen Magie, die sie durch Lilith bekommen hatte. Janes innerer Widerstand erlosch. Auch wenn sie es gewollt hätte, es wäre ihr nicht möglich gewesen. Da war die andere Macht, die uralte Kraft, so alt wie die Welt. Ihr konnte ein normaler Mensch nicht widerstehen. Dicht vor dem Fenster blieb Jane stehen. Sie berührte bereits die innere Kante der schmalen Fensterbank. Nun hätte sie sich schon hinausstürzen können.
»Auf die Bank!«
Glenda/Lilith hatte sehr leise, aber auch intensiv gesprochen. Sie brauchte zudem nicht nachzuhelfen, denn Jane Collins hob von allein ihr rechtes Bein an.
Dann spürte sie unter ihrem Fuß den Widerstand der schmalen Bank. Sie stützte sich ab, hob auch das andere Bein an, zog den Kopf ein und blieb auf der Fensterbank stehen.
Glenda lachte.
»Jetzt!« befahl sie.
Jane sprang noch nicht. Für die Dauer von einer oder zwei Sekunden schaute sie in die Tiefe. Unter ihr lag die Straßenschlucht. Sie sah die zahlreichen Fahrzeuge, die ziemlich klein und schmal wirkten. Sie nahm alles in sich auf. Die Schlucht kam ihr vor wie ein tiefes, unheimliches Grab, und sie stürzte nach unten.
Jane fiel waagerecht — und genau hinein in die plötzlich erscheinende Wand aus loderndem Feuer, die wie ein Vorhang zwischen Himmel und Erde hing.
Das Feuer erstickte ihren Schrei…
***
Sie bemühten sich nach Kräften!
Zuerst hatte es Suko versucht, danach Mandra Korab. Keinem von ihnen war es gelungen, die Tür aufzustoßen. Immer wenn sie sich dagegen geworfen hatten, da zitterte sie zwar, doch sie schafften es nicht, die Tür aufzustoßen.
Es war einfach grauenhaft…
»Die ist magisch gesichert!« keuchte Suko, sich den Schweiß von der Stirn wischend. »Da können wir nichts machen.« Er blickte Mandra an, als ob dieser ihm die Lösung sagen könnte, doch auch der Inder hob nur die Schultern.
»Also nichts«, flüsterte Suko.
»Was ist mit deiner Peitsche?«
Suko nickte. »Ich kann es versuchen.« Er dachte auch an Janes Schrei, den sie beide gehört hatten. Sie wußten, daß Glenda Perkins alias Lilith mit Jane Collins machen konnte, was sie wollte. Eine Chance würde sie nicht bekommen.
Suko zog die Dämonenpeitsche hervor und schlug einmal einen Kreis über den Boden.
Die drei aus Dämonenhaut bestehenden Riemen rutschten hervor und schleiften noch für einen Augenblick über den Boden. Dann riß Suko die Peitsche in die Höhe und schlug zu.
Die drei Riemen fächerten auseinander, sie klatschten gegen ihr Ziel. Sukos Gesicht war von Anspannung verzerrt, er rechnete mit einer magischen Explosion, mit dem Aufheben der Sperre, doch das geschah nicht. Zwar sah er die Tür für einen winzigen Augenblick durchscheinend werden, aber die gewaltige magische Sperre, die von Lilith aufgebaut worden war, hielt alles ab.
»Keine Chance«, sagte Mandra beim Zurücktreten. »Wir stehen auf verlorenem Posten.«
Suko nickte nur. Sein Blick hatte einen traurigen Ausdruck bekommen. Er fühlte sich plötzlich leer und ausgebrannt. Diesmal hatte ihnen die andere Seite die Grenzen aufgezeigt.
»Luzifer ist zu stark«, flüsterte er und hob die Schultern. »Er holt sich, wen er braucht. Einen nach dem anderen. Es tut mir leid, Mandra, aber ich schaffe es nicht.«
Der Inder lachte leise und bitter. »Es braucht dir nicht leid zu tun. Mir ergeht es ebenso.«
»Und Jane?«
Mandras Gesicht zeigte Regung. So etwas wie Verzweiflung lag in seinen Augen. »Sie wird nach John das zweite Opfer werden. Denk nur an meinen und ihren Traum. Man hat John geholt. Man wird ihn auf das verdammte Rad der Zeit binden, wo Jane erscheint, um ihn mit dem Messer zu töten. Ich habe es deutlich gesehen, als ich damals, als Gefangener in Aibon, auf dem Rad der Zeit festgebunden war. Nur hatte ich die Vorfälle vergessen.«
»Durch den Traum kehrten sie zurück«, sagte Suko leise. »Nur durch den Traum.«
Mandra nickte. Er ging an Suko vorbei auf die Tür zu. Die Arme hatte er vorgestreckt, als wollte er irgend etwas ertasten. »Sie ist weg!« flüsterte Mandra, »die Magie ist verschwunden…«
»Dann öffne!«
Das tat der Inder auch ohne Sukos Aufforderung. Er riß die Tür auf. Die beiden Männer stürmten in das Vorzimmer, sahen Glenda wie eine Statue in der Mitte stehen, wobei sie ihren starren Blick auf das geöffnete Fenster gerichtet hielt.
Auf der Bank
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