Luzifers Festung
noch schneller, denn ich hatte gesehen, dass der Strand leer war. Niemand lauerte auf mich.
Als das Paddel beim Eintauchen über Grund schleifte, sprang ich aus dem Boot. Bis zum Knie reichte mir das Wasser nur noch. Ich zog das Boot auf den Strand und brachte es so in Sicherheit, dass es von anlaufenden Wellen nicht mehr zurückgerissen werden konnte. Wer wusste schon, wozu es noch gut war.
Dann schaute ich mich um.
Fast erinnerte die Szenerie ein wenig an Robinson. Ein breiter, leicht gebogener Sandstrand, der im Licht der Sterne silbern übergossen wurde, im Hintergrund hohe Palmen, deren Wedel sich im Nachtwind wiegten, ein Himmel, der mich an dunkelblaue Seide erinnerte, und die laue Luft.
Etwas für romantisch veranlagte Menschen. Doch nichts für mich. Ich hatte momentan andere Sorgen.
So herrlich dieser Strand auch war, ich stand hier völlig deckungslos und musste zusehen, dass ich zwischen den ersten Bäumen ein gutes Versteck fand.
Von Suko und Bill sah ich nicht einen Hemdzipfel. Wenn sie noch lebten - und damit rechnete ich irgendwie -, waren sie sicherlich an einer anderen Stelle auf die Insel geschafft worden.
Geduckt lief ich auf den Palmenwald zu. Bis zu den Knöcheln versanken meine Füße im hellen Sand, der bei jedem Schritt hinter mir aufstäubte.
Die Palmen standen etwas erhöht, das Gelände führte schräg bergauf, und ich war froh, als ich mein erstes Versteck fand.
Ich schaute zurück. Mein Blick glitt über das Meer und blieb an der die Insel umgebenden Nebelwand hängen. Ich sah, wie die Wellen dem Strand entgegenrollten und mit ihren hellen Kämmen langsam ausliefen.
Von den Verfolgern entdeckte ich keinen mehr. Aber auch die berühmte Festung hatte ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Sie müsste weiter im Inneren der Insel liegen, und nach dorthin machte ich mich auf den Weg.
Ich ging durch den Wald. Irgendwann hatte er bestimmt ein Ende, zunächst jedoch führte der Weg weiterhin bergauf.
Ich achtete auf Stimmen ebenso wie auf andere Geräusche, aber selbst die Tiere schienen die Insel zu meiden, denn ich hörte keinerlei Laute.
Der Boden unter meinen Füßen war hart, kantig und porös. So sah eigentlich nur Vulkangestein aus. In der Südsee gab es leider zahlreiche Vulkan-Inseln. Manche Berge arbeiteten noch hin und wieder und spien ihre glühende Lava aus dem Schlund. Aber da hatte ich auch so meine Erfahrungen gesammelt.
Dichtes Unterholz markierte meinen weiteren Weg. Noch steiler stieg das Gelände an. Bald konnte ich nicht mehr aufrecht gehen, sondern bewegte mich in einer Schräglage voran, die ich auch nicht lange einhalten konnte, so dass ich schließlich auf allen vieren weiterging. Oft musste ich mich am Gestrüpp festhalten und mich weiter in die Höhe ziehen.
Durch diesen Marsch geriet ich ins Schwitzen. Meine Kleidung dampfte, sie trocknete auch, jetzt klebte sie mir feucht und schwer am Körper.
Meine Waffen waren noch vorhanden. Ich hatte weder Kreuz, Dolch, noch meine Beretta verloren.
Wenige Minuten später hatte ich den Gipfel erreicht. Nach einigem Umherschauen stellte ich fest, dass ich mich auf dem Kamm einer Schluchtwand befand.
Ich ging ein paar Schritte vor und blieb abrupt stehen, weil das Gelände vor mir steil abfiel. Aber ich konnte auch in die Schlucht sehen, und meine Blicke hefteten sich an dem Gegenstand fest, dessentwegen ich überhaupt die Strapazen auf mich genommen hatte. In der engen Schlucht unter mir lag die Festung!
Ich war sprachlos. Sekundenlang starrte ich auf das gewaltige Bauwerk, das irgendwie einmalig wirkte.
Voll fielen das Sternenlicht und der fahle Schein des am Himmel hängenden Halbmonds in die Schlucht und leuchteten die aus Knochen und Gebeinen errichtete Festung an.
Es war ein makabres Bild. An der Außenmauer waren die Knochen senkrecht aneinandergepresst worden. Dazwischen hatte man Löcher für vergitterte Fenster freigelassen und links von der Festung führte eine aus Gebeinen bestehende Brücke über einen kleinen Bach, der von einem aus den Felsen strömenden Wasserfall gespeist wurde. Hinter den Fenstern glühte es rot. Aber ich sah keine Gestalten oder Dämonen, die in der Festung gefangen gehalten wurden. Sie war leer und noch nicht fertig, denn das Dach fehlte. Nur die Knochen ragten dort, wo es hinkommen sollte, in den dunklen Himmel. Jetzt hatte ich den Beweis, wofür dieser Naga all seine Gebeine benötigte. Aber warum? Was war der Grund? Und für wen baute er diese verdammte Festung?
Mein Blick
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