Luzifers Geliebte (Geschichtentrilogie Band 2 Fantastische Geschichten)
betrachtete, desto intensiver wurde das beunruhigende Gefühl, das ihn sofort bei seinem Anblick übermannt hatte. In seinem Kopf bohrte hartnäckig ein Gedanke: Der Säbeltänzer musste einen Partner haben. Schon die Pose, die er zur Schau stellte, verlangte ein Gegenstück. Es sah aus, als wolle er sein Gegenüber umarmen. Doch das Gegenüber fehlte. So sehr er auch seine Augen schweifen ließ, nirgends konnte er ein solches entdecken. Und während er noch intensiv darüber nachdachte, ob er in den Laden gehen sollte, um den Verkäufer zu befragen, breitete sich plötzlich ganz betörend ein Fliederduft um ihn herum aus. Der Geruch war so intensiv, als stünde hier, mitten auf der Straße, ein blühender Fliederbusch.
"Säbeltänzer. Volksschnitzerei. Ende sechzehntes Jahrhundert", vernahm er plötzlich die Stimme einer jungen Frau.
"Es gibt einen zweiten", sagte sie, als hätte sie seine Gedanken erraten. "Seinen Partner. Der ist aber weit weg."
Verwundert drehte Sanders sich zu Seite. Neben ihm stand eine junge Frau. Fast noch ein Mädchen.
"Sie kennen sich aus?", fragte er verblüfft. "Ich habe auch das Gefühl, es müsse einen Partner geben. Sie kommen aus Deutschland? Aus Bayern? Wie ich höre?"
"Aus München", erwiderte die Mädchenfrau und lachte, so dass er eine Reihe wunderschöner, weißer Zähne sehen konnte.
"Wieso wussten Sie, dass ich Deutscher bin? Sie sprachen mich gleich deutsch an."
"Gefühlsmäßig." Die Mädchenfrau blickte direkt in seine Augen. "Und die Gründlichkeit, mit der Sie das Schaufenster betrachteten. Ich bin schon eine ganze Weile hinter Ihnen her."
"So, so. Interessant." Nun war er wirklich amüsiert. "Und was machen Sie hier?", fragte er. "In Teheran? So ganz allein?"
"Das Gleiche wie Sie. Ich schlendere durch die Gegend. Vertreibe mir die Zeit. Wenn Sie möchten, schließe ich mich Ihnen an. Ich zeige Ihnen die Stadt. Ja?"
"Liebend gern", willigte Sanders erfreut ein. "Das ist ein wunderschönes Angebot. Erlauben Sie: Heiko Sanders. Und ich komme, wie auch Sie, aus München."
"Freut mich sehr. So ein schöner Zufall. Ich bin Elisabeth Röhrig. Meine Eltern haben eine Gastwirtschaft in München. Ich mache hier gerade Urlaub."
Sanders fühlte sich sofort magisch angezogen von dem seltsamen Mädchen Elisabeth. Er wunderte sich über die Vertrautheit, die sie beide verband. Ihm schien, als kennten sie sich schon ewig. So verbrachten sie wie selbstverständlich den Nachmittag gemeinsam.
Elisabeth zeigte Sanders, wie versprochen, die Stadt. Sie wusste viel über Land und Leute zu erzählen. Zum Beispiel, dass die antike Stadt Raj im Jahre 1220 von den Mongolen zerstört wurde und nur Teheran, damals ein kleiner, vermutlich aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. stammender Vorort, übrig geblieben war. In den folgenden Jahrhunderten wuchs die Stadt nur langsam. Anfang des 17. Jahrhunderts gab es einen Basar, umgeben von einer Mauer und etwa 3000 Häusern in der Stadt. Der Begründer der Kadjaren - Dynastie machte Teheran 1788 zur Hauptstadt Persiens. Unter der Pahlewi - Dynastie, so etwa 1925 - 1979, wurde die Stadt modernisiert, industrialisiert und erheblich umgestaltet.
"Einige Paläste aus dem 19. Jahrhundert stehen noch", sagte Elisabeth fröhlich. "Der größte Teil der Architektur ist jedoch neu."
"Kluges Mädchen", lobte Sanders.
"Ja", erwiderte Elisabeth. "Ich liebe diese faszinierende Stadt. Sie müssen sich unbedingt das Senatsgebäude, den Marmorpalast, das Opernhaus und das Stadion mit seinen 1000000 Zuschauerplätzen und die zwei internationalen Flughäfen anschauen."
"Volles Programm, also", lachte Sanders. "Und ich habe gehört, um auch etwas beizusteuern, dass 1943 hier die Konferenz von Teheran stattfand, bei der die Alliierten wichtige Entscheidungen bezüglich der weiteren Strategie im 2. Weltkrieg trafen."
"Ja, eine Wahnsinnstadt. Sagte ich doch. Sie hat jetzt so an die 6,76 Millionen Einwohner."
"Wirklich sehr beeindruckend. Sind Sie schon länger hier?"
"Ja", erwiderte Elisabeth bereitwillig, "ich befinde mich gerade auf einer Weltreise und habe schon alle fünf Kontinente bereist. Vor einem Monat bin ich hier her gekommen, direkt aus China. Meine Eltern haben mich auf Urlaub geschickt. Ich kann so lange bleiben, wie ich will. Den Eltern geht es nur darum, mich wieder gesund und fröhlich zu sehen."
"Sind Sie krank?" Sanders schaute Elisabeth mitfühlend an.
"In gewissem Sinne schon." Elisabeth sah jetzt sehr ernst aus. "Mein Verlobter ist kurz vor
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