Luzifers Geliebte (Geschichtentrilogie Band 2 Fantastische Geschichten)
steckte den Ring an meinen kleinen, linken Finger. „ Er wird dir helfen, wenn du in Not bist.“
Wie in Trance verließ ich diesen unheimlichen Laden, taumelte benommen die regennassen Straßen entlang, warf mich, endlich in meiner Wohnung angelangt, erschöpft in mein blaues Bett mit den goldenen Knöpfen am Bettgestänge, und schlief sofort ein.
*
Am nächsten Tag überfiel mich eine grenzenlose Melancholie, eine die Sinne verwirrende Traurigkeit, aus der ich nicht herausfinden konnte. Am liebsten wäre ich gar nicht aufgestanden, hätte mich in die Kissen gekuschelt und den Tag verschlafen. Doch ich wusste aus Erfahrung, es würde nichts bringen. Also stand ich auf und schaute versonnen aus dem Fenster.
Letzte Blätter wirbelten von den Bäumen. Eine Elster flog unruhig hin und her, setzte sich dann in die Spitze eines kahlen Lindenbaumes, verweilte.
Wo war draußen?
Drinnen?
Oben?
Unten?
Das Zimmer schien seine Konturen verloren zu haben. All die längst Verstorbenen wurden lebendig an den weißen Wänden, bewegten stumm ihre übergroßen Münder. Ein Wispern und Flüstern begann. Ein Beten und Köpfe neigen. Plötzlich war alles in rotes Licht getaucht.
Rauchwolken stiegen in einen dunklen Himmel. Flammen loderten ihm wild entgegen.
Ich erwachte auf einer Wiese zwischen Gänseblümchen und Butterblumen. Bienen summten auf den Blüten. Ein Sonnenstrahl kitzelte meine Nasenspitze, entlockte mir ein Niesen.
Da wurde der Himmel wieder dunkel.
‚Verrückt‘, dachte ich, ‚so ein blöder Tagtraum. Nur raus mit dir.‘
Aber ich ging nicht raus. Ich starrte aus dem Fenster. Vergaß Zeit und Raum. Vergaß meinen rationalen Verstand. Grübelte eine Woche über mein Leben. Bis zu diesem verhängnisvollen Tag.
*
Mutig sammelte ich all meine Energie, meine magischen Kräfte, konzentrierte sie auf den einen Gedanken, der mich mehr und mehr beherrschte, war neugierig auf diese unbekannte Erfahrung, das Mysteriöse, das mich nun erwarten würde.
Die Zeit war reif.
‚Ich lasse die Vorstellung platzen‘‚ dachte ich. ‚Ich lasse die Vorstellung platzen. Ich lasse die Vorstellung platzen.‘
Die Kraft der Gedanken soll ja schon wahre Wunder vollbracht haben. Ähnlich der Liebe, die nach christlichen Überlieferungen schon Berge versetzt haben soll.
Also würde es mir wohl auch gelingen, Kraft meiner Gedanken, so etwas Simples, wie eine Theatervorstellung platzen zu lassen.
Nur auf diesen einen Gedanken konzentriert, schloss ich meine Augen und ging in mich.
Nach einiger Zeit war mir, als sei dieser eine Gedanke das Zentrum, mein Zentrum, um das sich nach einem leeren Raum mein Ich schloss, darum meine fleischliche Hülle.
Mit geschlossenen Augen fühlte ich, wie alle äußeren Energien in mich hinein flossen, in mein tiefstes, innerstes Ich, meinen Mittelpunkt, den brennenden, roten Kern meines Seins. Strahlenförmig eingeschlossen, umzuckt von schwarzen Blitzen, die in ungleichmäßigen Abständen, gleich einem lautlosen Feuerwerk, mein Zentrum umkreisten.
‚Ich will, dass es passiert‘, war mein einziger Gedanke. ‚Ich will, dass es passiert. Ich lasse die Vorstellung platzen.‘
Nach geraumer Zeit öffnete ich meine Augen.
Alles war wie immer. Die Zuschauer saßen still auf ihren Plätzen, die Schauspieler agierten wie bei jeder Vorstellung spielsicher auf der Bühne.
"Nichts da", vernahm ich Sandras Stimme, "versuch es noch einmal."
Wieder schloss ich meine Augen, konzentrierte mich mit all meiner geistigen Kraft nochmals auf diesen einen Gedanken, bannte ihn gewaltsam in mein Zentrum, erlebte das Gleiche, aber viel intensiver.
Und dann geschah es.
Als es mir an der Zeit schien, öffnete ich die Augen. Mein Herz jubelte. Einige Besucher verließen geräuschvoll den Saal, eine Gruppe Jugendlicher war unruhig geworden und kicherte laut. Und als die kurze Nacktszene kam, traute sich die junge Schauspielerin nicht ganz nackt aufzutreten. In dem abgegrenzten Viereck konnte man nur eine entblößte Brust sehen.
Der ganz entblößte Schauspieler wurde mit Gejohle empfangen. Das verunsicherte ihn so sehr, dass seine sonst so lockeren Bewegungen linkisch und steif wirkten.
"Es klappt! Es klappt!", schrie ich. "Hexe! Hexe! Hexe!"
Dem jungen Schauspieler verschlug es die Sprache. Entsetzt sah er zu mir hin.
Ich sprang auf.
"Hexe! Hexe!"
"Still! Ruhe!", zischte es von allen Seiten.
Doch es war zu spät. Einige Zuschauer waren ebenfalls
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