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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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fragte Luciano, der neben Alisa getreten war, und grinste.
    »Du kannst sie ja fragen. Stammen die Särge vom hiesigen Friedhof?«
    Niamh nickte. »Er gehört zu Oughterard. Dort gibt es stets frische Gräber. Sie begraben auch die Toten aus der Mine dort. Allerdings werden die armen Teufel, die oben im Abraum schuften, meist nur in ein Leinentuch gehüllt, da niemand den Sarg bezahlen will. Trotzdem sind noch genügend stabile Särge dort. Morgen werden wir das Problem behoben haben.« Er wandte sich ab und trug die nächsten Kisten in den Turm.
    »Welche Mine?« Alisa sah Ivy fragend an. Wieder dieser Ausdruck von Zorn in ihren Augen, den Alisa auf der Gefängnisinsel von Galway zum ersten Mal an ihr bemerkt hatte.
    »Glengowla«, sagte sie mit einem Ausdruck des Abscheus, als wäre schon allein dieses Wort eine Beleidigung. »Ausgerechnet die O’Flahertys, die einstigen Herren dieser Burg, ließen Stollen in den Marmor treiben, um an die Bänder aus Silber- und Bleierz heranzukommen. Direkt hinter Oughterard, am Lough Ateeaun - am See des Feenhügels, den die Menschen jetzt Bleiminensee nennen, denn Feen gibt es dort ganz gewiss keine mehr!«
    Alisa wechselte schnell das Thema. Obwohl sie den tieferen Grund für ihren Zorn gern gewusst hätte. Die Menschen gruben in der Erde. Ja, das taten sie überall, wo es etwas zu finden gab, das ihnen half, ihre Technik zu verbessern oder einfach nur das Leben angenehmer zu gestalten. Es ging nicht nur um Erze oder edle Metalle für Schmuck und Münzen. Alisa dachte an die Schiffe mit Kohle, die im Hamburger Hafen anlandeten und dort entladen wurden. Scharen von Kindern aus den Gängevierteln lebten davon, selbst im Winter durch das eisige Wasser zu waten, um verloren gegangene Kohlestücke herauszufischen, die sie für ein paar Pfennige verkauften. Oder die neuen Frachter aus Amerika, die in Fässern Petroleum lieferten, das den stinkenden Waltran ersetzte. Wurde es nicht auch dem Boden entrissen? Alisa konnte darin nichts Frevelhaftes erkennen. Sie bewunderte die Menschen für ihren Erfindungsreichtum. Hatten sie nicht schon seit Tausenden von Jahren Bergbau betrieben? Der Marmor sei die Seele des Landes, hatte Ivy gesagt. Alisa konnte das nicht nachempfinden. Anderseits war auch der Glaube der Christen für Alisa nicht mehr als eine Sammlung alter Geschichten, die den Menschen halfen, die Misere ihres Lebens besser ertragen zu können. Und dennoch fügten ihre Heiligenbilder und Kreuze Vampiren Schaden zu und schwächten sie. Es brauchte Kraft und Übung, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Vielleicht waren diese Felsen im Untergrund dagegen wirklich etwas, das Vampire stärkte?
    Ein Ruf ließ alle herumfahren. Ein weißes Pferd erschien auf der Zugbrücke.
    »Tara!« Mehr brachte Ivy nicht heraus, als sie die Stute und ihre Reiterin erkannte. Ihre Stimme klang seltsam bewegt, und sie fuhr sich mit der Hand über die Augen, als sie auf die Druidin zueilte. Die Freunde folgten ihr neugierig. Sie hatten die alte Menschenfrau in Rom kurz zu sehen bekommen, als sie angereist war, um sich um Seymours Verletzungen zu kümmern, die eine silberne Schwertklinge ihm zugefügt hatte. Alisa erinnerte sich noch an ihren Duft, nach süßem Menschenblut, nach Kräutern und Alter, aber auch nach Stärke und nach Magie! Zaghaft trat sie näher. Sie sah, wie sich Lucianos Nasenflügel blähten, als er ihren Geruch einsog. Zum Glück hatten sie nach ihrem Empfang in Aughnanure reichlich zu trinken bekommen. So war es nicht zu schwer, sich in der Nähe eines Menschen aufzuhalten und dennoch einen klaren Geist zu bewahren.
    Alisa runzelte die Stirn, da ihr noch ein anderer Geruch in die Nase stieg. Blut, unverkennbar, aber kein menschliches. Dann entdeckte sie die reglose Gestalt, die über dem Pferderücken lag.
    »Bei den Geistern der Nacht!«, rief Ivy entsetzt. Alisa lief zu ihr. Franz Leopold dagegen zögerte. War das eine Vampirin? Der Körper war so schrecklich zugerichtet, dass Alisa sich nicht sicher war. Warum hatte sie so ein lang gezogenes, pelziges Gesicht? Ihre Hände glichen eher Pranken. Und doch hatte sie auch menschliche Züge. Wenn Alisa sich auf ihr Inneres konzentrierte, stieg das Bild einer jungen Frau in ihr auf. Und sie roch nach Vampir und dem Clan der Lycana.
    »Was ist das für ein Wesen?«, fragte Alisa leise, so als wäre die Frage ungehörig.
    »Das ist die Lycana Áine«, sagte Ivy mit trauriger Stimme. »Oder sie war es einmal.«
    »Was ist mit ihr geschehen?«,

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