Lycana
für die Wandlung geben. Auch dir, Luciano! Ich werde dir dabei helfen, also sorge dich nicht. Wir werden niemanden zurücklassen.«
»Also dann los!« Alisa glitt die hölzerne Leiter hinunter in den Schacht. Die anderen folgten ihr. Offensichtlich war nicht der gesamte Marmor gleichmäßig von den für die Menschen wertvollen Erzen durchdrungen. Der Grund der Gänge folgte dem Verlauf der metallhaltigen Schicht, die steil in die Tiefe abfiel, sodass die Menschen von kleinen hölzernen Plattformen oder Leitern aus arbeiten mussten. Alisa betrachtete die Bohrer und schweren Hämmer mit langen Stielen, mit denen die Menschen Löcher für die Sprengladungen in den Fels trieben.
»Sicher keine leichte Arbeit«, sagte sie und wog die Werkzeuge in den Händen. »Was die sich für eine Mühe machen, für ein wenig Erz!«
»Wen interessiert das?«, sagte Luciano. »Müssen wir noch tiefer?«
Ivy nickte. »Ja, wir gehen ganz hinunter, bis wir eine Stelle finden, an der der Fels noch nicht verwundet und ausgeweidet ist.«
Geschickt sprangen sie von Plattform zu Plattform oder rutschten die Leitern hinab, bis sie den Grund der Mine erreichten. Am Rand natürlicher Spalten sprossen farbenprächtige Mineralien in ihren typischen würfeligen oder vieleckigen Formen. Manche waren klar, gelblich, violett oder braun, andere von metallischem Glanz in Silber oder Gold.
»Ist das echtes Gold?«, wollte Luciano wissen und strich über die verzahnten Würfel in der Wand.
»Nein, die Bergleute nennen es Narrengold. Es ist aus Eisen und Schwefel. Nicht so viel wert wie die anderen Erze«, gab Ivy Auskunft.
»Können wir jetzt endlich beginnen oder verschwenden wir noch eine Stunde mit Bergbaubelehrungen?« Franz Leopold erinnerte sie daran, warum sie hier waren. Sie nahmen sich bei den Händen und sahen einander an. Nun galt es, die Kraftströme des Gesteins richtig zu nutzen.
»Werden wir als Falken fliegen?«, fragte Alisa. »Sie sind die schnellsten.«
»Nein«, wehrte Ivy ab. »Wir wollen es nicht noch schwerer machen. Bleiben wir bei den Säugetieren. Sie stehen uns, selbst wenn sie fliegen können, näher.«
»Dann also Fledermäuse!«, stellte Franz Leopold fest. »Sind wir in dieser Form schnell genug?«
»Es wird reichen«, beruhigte Ivy. »Und nun lasst uns beginnen. Schließt die Augen und konzentriert euch. Ich helfe euch, sollte es nötig sein. Wenn wir fertig sind, folgt mir auf direktem Weg. Widersteht der Versuchung, euren neuen Körper zu testen, und lasst euch nicht von den für euch ungewohnten Sinnen verlocken. Ihr könnt euch ihnen später einmal hingeben, wenn wir Zeit, Ruhe und Sicherheit genießen.«
Die drei nickten und schlossen gehorsam die Augen.
»Die Energieströme hier unten sind unglaublich«, murmelte Alisa, dann krochen die kalten Nebel an ihnen empor, und sie spürten, dass sie ihre menschliche Sprache verloren. Doch was gewannen sie dafür! Es war eines, sich des Echosystems der Fledermäuse zu bedienen, doch selbst fliegen zu können und das Zusammenspiel der Sinne zu erleben, war noch einmal etwas ganz anderes. Ivy hatte gut an ihrer Mahnung getan, denn selbst Franz Leopold fiel es schwer, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und Ivy zu folgen, die bereits auf direktem Weg der Oberfläche entgegenstrebte. Drei Fledermäuse flatterten hinter ihr her. Hoch über dem nächtlichen Moor flogen sie dahin, entlang der schmalen Seen, die sich in einem Bogen erst nach Nordwesten und dann weiter nach Westen wanden. Im Süden erstreckten sich endlos die graubraunen Moore, nur von niederen Hügeln unterbrochen, im Norden erhoben sich die Berge von Teernakill, die in die Maumturk Mountains übergingen. Ein breites Tal, ebenfalls mit einer Seenkette am Grund, mündete von Norden ein, und dann ragten die Twelve Bens mit ihren schroffen Granitgipfeln vor ihnen auf. Ivy folgte einem erst sanft, dann immer steiler ansteigenden Bachlauf. Die Berghänge rückten aufeinander zu, bis sie sich in einem Kessel vereinten und zu einem scharfen Grat zusammenschlossen. Ivy hielt sich links. Unter ihnen konnte Franz Leopold eine seltsame Steingruppe ausmachen. War das ein Hünengrab? Vielleicht. Als Ivy tiefer ging, entdeckte er eine dunkle Scharte im Fels, die der Eingang zur Höhle sein musste. Sie flogen direkt auf die Felswand zu und schlüpften dann in die Spalte, die aus ihrer Perspektive riesig erschien, einem Wesen in Menschengestalt jedoch gerade genug Raum bot.
Ivy hielt nicht inne. Sie flog
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