Lycana
sagte Mabbina. »Aber wir vermuten, dass es mehr sind. Und selbst wenn nicht, es war leichtsinnig und gefährlich, euch so weit von Aughnanure zu entfernen. Gerade von dir, Ivy-Máire, hätte ich mehr Umsicht erwartet!«
Ivy neigte den Kopf. Die anderen Erben der Clans waren vollständig in der Halle versammelt und lauschten aufmerksam der Auseinandersetzung.
»Ich weiß um unsere Verpflichtung. Glaubt mir, sie ist mir jeden Augenblick bewusst, und ich habe nicht vor, sie zu vergessen oder mich der Verantwortung zu entziehen. Gerade deshalb musste ich diesen Weg heute Nacht gehen. Glaubt nicht, dass dies die Abenteuerlust junger Vampire war! Meine Freunde haben mich begleitet, um mich an Seymours statt zu beschützen!« Cameron schnaubte ungläubig.
»Wir waren in der Höhle, die den Stein beherbergte, und wir haben eine wichtige Information von einem alten Sippenmitglied erhalten, das zurückgeblieben ist. Wir können nun hilfreicher bei der Suche nach dem cloch adhair sein, als wenn wir weitere Hunderte Lycana mit auf diese ziellose Suche schicken würden.«
»Und wie sieht diese Hilfe aus?«, wollte Mabbina wissen.
»Das berichte ich, wenn unser Clanführer zurück ist.«
Mabbina und Cameron sahen Ivy missmutig an, widersprachen aber nicht.
»Er ist zurück, also sprich!«, erklang Donnchadhs Stimme von der Tür her. Ivy wartete, bis auch Tara die Stufen zur Halle erklommen hatte, dann erzählte sie, was der alte Werwolf gesagt hatte.
»Man kann den Stein nur unter größtem Widerstand von seinem Ursprung entfernen, und je weiter man ihn wegschafft, desto schneller verliert er seine Kräfte. Versteht ihr, was das heißt? Das können sie nicht wollen. Was wäre er dann noch wert?«
Tara nickte. »Ich hätte es wissen müssen. Es ist wie mit den Armreifen. Auch sie werden mit jedem Tag schwächer, je weiter wir sie von ihrer Heimat entfernen.«
»Und doch konntet ihr sie mitnehmen - weg von Irland, sogar bis nach Rom, und sie binden euch immer noch an unser Land und halten Schaden von euch fern«, warf Catriona ein.
Ivy wirkte nun besorgt. »Du meinst, sie werden den Stein dennoch wegbringen?«
»Das kann ich nicht sagen. Vielleicht, bis eine neue Ordnung entstanden ist, mit der sie wieder zufrieden sein können.«
Doch Tara schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, wir unterschätzen den Widerstand des Steines. Vielleicht versuchen sie es, aber sie werden einlenken müssen. Wie dumm von mir, dass ich nicht früher daran gedacht habe.« Sie sah Ivy an. »Auch wenn ich nicht gutheißen kann, dass du dich in Gefahr begibst und noch dazu Seymour - der ein großes Opfer gebracht hat - in dieser Weise behandelst, ist die Information, die du bringst, sehr wertvoll.«
Franz Leopold sah, welch Anstrengung es Ivy abverlangte, die Fassung zu bewahren. Ihre Kiefer bewegten sich, die angespannten Muskeln zeichneten sich unter den Wangen ab.
»Nicht nur er hat Opfer gebracht!«, knirschte sie.
Tara sah bekümmert drein. »Ich weiß, Ivy, ich weiß.«
Die aufgehende Sonne beendete die Besprechung und drängte alle zu ihren Särgen. Donnchadh verlor kein weiteres Wort über den unerlaubten Ausflug der Freunde, sondern wechselte nur noch ein paar Sätze mit Catriona und Tara, ehe auch er seinen Sarg aufsuchte.
»Ich kann unser Glück kaum fassen«, sagte Luciano, als er sich in seine Kiste legte, deren strenger Verwesungsgeruch schon fast verweht war. »Sie haben uns nicht bestraft!«
»Vielleicht kommt das dicke Ende heute Abend«, vermutete Alisa. »Wenn sie Zeit dazu haben. Ich würde nicht darauf wetten, dass wir so einfach davonkommen.«
»Du kannst einem aber auch jede Hoffnung verderben«, beschwerte er sich und klappte den Deckel zu.
Bram Stoker konnte nicht schlafen. Lang ausgestreckt lag er auf dem Rücken, die Hände gefaltet, die Augen geschlossen. Das Mädchen mit dem silbernen Haar spukte durch seine Gedanken und ließ ihn nicht mehr los. Dass sie ihn bereits mit Oscar, Florence und Henry Irving auf dem Friedhof der Fremden in Rom gesehen hatte und sich auch noch an ihn erinnerte, faszinierte und ängstigte ihn gleichermaßen. Bram versuchte, an etwas anderes zu denken. An seinen Freund, der jenseits der Wand friedlich schlief, nachdem er am Abend mit seiner Mutter noch einen ordentlichen Streit ausgefochten hatte. Wer von beiden gewonnen hatte, war nicht so einfach festzustellen. Oscar hatte Lady Wilde rundheraus verboten, mit den Aufständischen zu dem Waffenlager zu ziehen, und sie hatte
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