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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Mädchen und einen weißen Wolf vor seiner Tür anzutreffen. Er verneigte sich steif.
    »Was verschafft mir die Ehre?«
    »Quintin, ich muss dich um dein Boot bitten«, sagte Ivy.
    Der alte Fischer sah zum Nachthimmel auf. »Es sind noch einige Stunden bis zum Morgengrauen. Werde ich mein Boot rechtzeitig zurückbekommen?«
    »Nein, das wird nicht möglich sein. Und ich kann dir auch nicht versprechen, dass du es bis zum nächsten Tag wiederhast.«
    Der alte Mann wiegte den Kopf hin und her. »Das ist nicht gut. Ich brauche den Fang. Ich bin ein armer Mann.«
    »Ich weiß und dennoch muss ich diese Bitte an dich richten. Es ist wichtig!«
    »Das ist es immer«, murrte er. »Es geht um Irlands und unser aller Geschicke. Willst du zur Insel hinüber?«
    »Nein, auf die andere Seite des Lough.«
    »Hm, und du wirst das Schiff steuern?«
    »Ich dachte eigentlich, ich - nun ja - ich sehe mich auf der anderen Seite schon einmal um, während meine Begleiter über den See fahren.«
    Der Fischer schwieg. Sich Gedanken über die seltsamen Dinge zu machen, die ihm begegneten, hatte er sich längst abgewöhnt. »Hat denn einer deiner Mitreisenden Erfahrung mit solch einem Boot?«, wollte er wissen. Ivy zuckte mit den Achseln.
    »Dann warte kurz. Ich werde es selbst hinübersteuern und dann wieder mit zurücknehmen.«
    Ivy zögerte, aber er war schon im Haus verschwunden, um seinen Nachtkittel gegen Hose, Pullover und Strickmütze zu vertauschen.
    »Es werden keine Menschen an Bord sein«, sagte sie vorsichtig.
    »Und ich vermute, es handelt sich auch nicht um eine Schafherde«, brummte der Fischer.
    »Nein, das kann man nicht behaupten. Aber sie werden dir nichts tun.«
    »Das nehme ich an. Sonst müsste Tara in Zukunft auf meine Dienste verzichten. Das wäre ihr sicher nicht recht.«
    Ivy schmunzelte. »Nein, das wäre es ihr nicht.«
    Sie eilte zum Steg zurück. Da der Fischer natürlich viel langsamer war, gab es ihr Zeit, die anderen auf sein Kommen vorzubereiten.
    »Bitte, haltet euch zurück! Es darf ihm kein Haar gekrümmt werden! Ich muss mich auf euch alle verlassen können.« Sie setzte eine strenge Miene auf und sah jeden Einzelnen von ihnen an.
    »Wir dürfen ja kein Menschenblut trinken«, maulte Tammo, dem dieses Vergnügen noch am längsten verwehrt bleiben würde.
    Ivy bat Seymour, für die Fahrt über den See an Alisas Seite zu bleiben. Der Wolf knurrte zwar unwillig, ging jedoch zu der Vamalia und ließ sich zu ihren Füßen nieder.
    Gespannt starrten die Erben den alten Mann an, der nun über den Steg auf sie zukam und sie zu seinem Boot führte. Er nickte ihnen zu und begann, sich um die Taue, seine Segel und das Ruder zu kümmern. Er schien nicht zu wissen, welch ungewöhnliche Passagiere er zu befördern hatte, oder es kümmerte ihn nicht. Angst empfand er jedenfalls nicht, das hätten sie gewittert.
    Zum Glück, dachte die Lycana. Wer weiß, ob der Geruch von Angst nicht in dem einen oder anderen den Jagdtrieb hätte erwachen lassen.
    Ivy wartete, bis alle an Bord waren und das Boot abgelegt hatte, ehe sie sich zu einem Falken wandelte und wie ein Pfeil über den Lough schoss. Am anderen Ufer streifte sie im Tiefflug über die Weiden und Auen. Wo waren die Lycana und ihre Begleiter? Hatten sie bereits herausgefunden, dass sich die Werwölfe in Ross Errily versteckten? Oder irrte sich Alisa? Ivy flog auf die alte Franziskanerabtei zu, um sich Gewissheit zu verschaffen.
    Dreimal kreiste sie über der weitläufigen Klosterruine, deren Gebäude nur noch zum Teil Dächer trugen. Zwei Kreuzgänge um zwei Höfe konnte Ivy ausmachen. Doch die Gestalten, die sie erkennen konnte, passten nicht in ein Kloster. Ihre Aura unterschied sich von der der Menschen, auch wenn unzweifelhaft warmes Blut in ihren Adern floss. Sie hatte die Werwölfe aufgespürt! Ivy flog noch tiefer und landete dann in einer Nische im Kirchturm. Aufmerksam betrachtete sie das Treiben unter sich. Gerade traten zwei Männer aus dem Kreuzgang in das grasige Rechteck in der Mitte. Ivy erkannte Áthair Faolchu. Der jüngere  Werwolf an seiner Seite war ihr nicht bekannt. Sie konnte nicht hören, was sie sprachen, aber ihre Gesten verrieten, dass sie sich über irgendetwas uneins waren. Der jüngere Werwolf blieb einen Schritt zurück, wandte sich um und gab irgendjemand, den Ivy von ihrem Platz aus nicht sehen konnte, einen Wink. Zwei graue Wölfe sprangen auf Áthair Faolchu zu. Der alte Werwolf wandte sich zwar um, starrte die beiden Raubtiere

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