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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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glitten sie tiefer in die Bucht hinein, immer am nördlichen Ufer entlang, das sich hier aus von Algen bewachsenem Geröll nur zögerlich erhob. Der Gestank nach Schlick und altem Fisch drang ihnen in die Nase. Er musste betäubend sein, wenn die Ebbe die riesigen Tangfelder freilegte.
    Alisa wandte sich von Ivy ab und trat neben Murrough, der aufmerksam nach vorn sah. Vermutlich, um Untiefen rechtzeitig zu erkennen.
    »Wohin fahren wir?«
    »Wir werden vor Carraig an Chabhlaigh oder Rockfleet Castle, wie es jetzt genannt wird, ankern«, gab der Schiffsführer bereitwillig Auskunft. »Doch erwarte nicht zu viel. Unzählige Bauwerke hier heißen Castle und sind eigentlich nur steinerne Türme. Es gibt hier auf der Insel natürlich auch Turmburgen, die riesig in ihren Ausmaßen sind und einem ganzen Heer von Menschen Platz bieten - aber Rockfleet gehört ganz sicher nicht dazu!« Er lachte kurz auf. »Du kannst dich selbst davon überzeugen.«
    Alisa spähte nach vorn. Sie steuerten gerade zwischen einer flachen Insel und dem Festland auf eine kleine Bucht zu, an deren Rand sich ein Turm sechs oder sieben Stockwerke hoch in den Himmel reckte. Ein nach innen zurückgesetztes Satteldach ragte über den Brüstungsring der oberen Plattform auf. Bei Flut waren drei Viertel der sich nach unten verbreiternden Grundmauern von Wasser umgeben. Murrough machte die Cioclón an der Kaimauer fest. Ein anderer Seemann schob die Planke hinüber. Aufmunternd nickte er den jungen Vampiren zu. Seymour lief als Erster an Land und sprang jaulend herum wie ein junger Hund. Solch ein Verhalten waren sie nicht von ihm gewöhnt, gab er sich sonst doch stets als zurückhaltender und aufmerksamer Wächter. Ivy sah ihm lächelnd zu.
    »Er liebt Schiffe nicht besonders und ist froh, festen Boden unter den Pfoten zu haben.«
    »Ja, so kommt es mir auch vor«, sagte Alisa, der es immer wieder schien, als würde die Erde unter ihr schwanken. Dass diese Täuschung rasch verging, hatte sie nach der Ankunft in Dunluce Castle erfahren. Inzwischen hatte das zweite Schiff ein Stück weiter draußen Anker geworfen und zwei Lycana ruderten die erste Gruppe zur Kaimauer hinüber. Tammo war der Erste, der an Land sprang und sich neugierig umsah.
    »Lasst uns hineingehen«, forderte sie Ainmire auf, der auf der  Réalta mitgefahren war. Ein schmaler, mit Steinplatten belegter Pfad schmiegte sich an die Turmmauer bis zu der spitzbogigen Eingangstür, von der aus Stufen direkt ins Wasser führten und nur bei Ebbe Stein um Stein freigelegt wurden. Ainmire drückte mit der Schulter gegen die von Salzwasser gebleichte und verzogene Holztür, bis sie mit einem Kreischen nachgab.
    »Wohnt hier denn niemand?«, wollte Tammo wissen.
    Ainmire schüttelte den Kopf. »Nein, die Menschen haben dies unbequeme Quartier schon vor vielen Jahren verlassen. Wir Lycana benutzen es ab und zu auf unseren Reisen. Vor allem wenn wir Nachrichten versenden wollen.«
    Alisa sah Ivy fragend an. »Was meint er damit?«
    »Du wirst es sehen, wenn wir in die oberen Stockwerke hinaufsteigen.«
    Neugierig folgte ihr Alisa eine hölzerne Leiter hinauf. Erst ab dem nächsten Stockwerk wand sich eine enge steinerne Treppe nach oben. Die Wände bestanden aus groben, weiß getünchten Steinbrocken, und die Kälte, die sie ausstrahlten, ließ erahnen, wie dick sie waren. Bei Tag konnte es hier drin kaum heller sein als jetzt, waren doch nur schmale Schlitze in die Mauern eingelassen. Für Vampire ein guter Ort, für Menschen sicher nicht.
    Ivy stieg leichtfüßig noch zwei Stockwerke weiter nach oben. »Siehst du?«
    In den Nischen und kleinen Nebengelassen nisteten Greife. Überall lagen Zweige und andere Materialien verstreut, die sie zum Bau ihrer Nester herbeigetragen hatten. Die Nester selbst waren teilweise kunstvoll aus ineinander verflochtenen Zweigen aufgebaut und dann wieder nur als unordentliche Haufen aufgeschüttet. Eierschalen, Federn und Kot leuchteten weiß hervor. Feiner Staub mit scharfem Geruch wurde bei jedem Schritt aufgewirbelt.
    »Es sind Bussarde und Sperber, und natürlich die Falken, die ihre verlassenen Nester benutzen. Sie sind uns zu Diensten - wenn wir es geschickt anstellen.«
    Ivy legte den Finger auf die Lippen und stieg eine weitere Treppe hinauf. Alisa folgte ihr. Ivy winkte sie zu einer Nische. Dort saß auf einem Nest ein Wanderfalkenweibchen und sah die beiden Vampirinnen aus großen gelben Augen an. Ivy, die Seymour ausnahmsweise zurückgelassen hatte, beugte

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