Lycana
Hand und eilte in den seitlich abzweigenden Gang.
»Malcolm!«
Er hörte auf, sein Schienbein zu reiben, und sah sie blinzelnd an. »Alisa, dich schicken die Götter der Nacht. Wie kann es nur so finster sein!«
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Das war nicht das erste Mal, dass du dich gestoßen hast?«
»Nein, verflucht!«, sagte er und rieb sich die Stirn, auf der sich bereits eine Beule gebildet hatte. Außerdem war der Stoff an seinem Ellenbogen lehmverschmiert.
»Dann klappt es bei dir mit den Fledermäusen noch nicht so gut«, schloss Alisa.
Er schüttelte mit tragischer Miene den Kopf. »Nein, und ich war nicht so umsichtig, eine Lampe mitzunehmen.«
»Das war Ivys Einfall. Obwohl wir die Lampe eigentlich nicht dringend gebraucht hätten. Wir haben herausgefunden, dass es mit den Fledermäusen einfacher geht, wenn man sich zu zweit zusammenschließt.«
»Und da hast du dich mit Ivy zusammengetan?«
»Nein. Ivy ist mit Luciano gegangen, und ich habe mir mit Franz Leopold eine Fledermaus gerufen, so wie wir es heute bereits unter Catrionas Anleitung geübt haben.«
»Bemüh dich nicht, das ist nichts für dich«, fiel ihr Franz Leopold, an Malcolm gewandt, ins Wort. »Das können nur jene, die ein Talent dafür haben, Gedanken zu lesen und in den Geist eines anderen einzudringen, wie wir Dracas.«
»Und die Lycana«, ergänzte Luciano.
Ein seltsamer Ausdruck trat in Malcolms Gesicht, den Alisa nicht so recht zu deuten wusste. »Was tust du hier eigentlich so weit weg von der großen Höhle?«, fragte sie ihn.
Er hob die Schultern und sah fast ein wenig verlegen drein. »Ich, nun ja, ich habe nach Ireen gesucht«, sagte er nach einigem Zögern. »Sie ist wohl wie viele andere ein wenig herumgewandert, und ich begann, mir Sorgen zu machen.«
»Und dann hat er sich verlaufen«, ätzte Franz Leopold, aber keiner beachtete ihn.
»Und wo sind Raymond und Rowena?«, fragte Alisa stattdessen weiter. »Warum haben sie dich nicht begleitet? Rowena hat ihre Fledermaus heute außergewöhnlich schnell beherrscht. Sie hätte dir in den finsteren Gängen eine Hilfe sein können.«
»Ja, vermutlich, doch ich habe die beiden nicht gesehen.« Wieder dieser Ausdruck. War das alles nur eine Ausrede? Warum?
»Willst du mir nicht bei der Suche helfen?«, bat Malcolm und sah Alisa aus seinen schrecklich schönen blauen Augen an.
»Ich? Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe, meine Gedanken mit deinen …« Alisa brach ab und fühlte sich aus irgendeinem Grund gezwungen, den Blick auf seine Schuhe zu senken. Sie spürte Franz Leopold in ihrem Geist und versuchte, ihn vor dem Dracas zu verschließen. Sie wollte nicht hören, was er ihr zu sagen hatte.
»Wenn wir die Lampe mitnehmen würden, bräuchten wir keine Fledermaus«, schlug Malcolm vor.
Gib ihm die Lampe und dann komm! Wir brauchen sie nicht. Aber halte sie hoch. Ich möchte sein dummes Gesicht sehen, wenn du den Vorschlag machst!
Alisa ignorierte ihn. »Ich komme gerne mit dir, deine Cousine zu suchen«, sagte sie und trat an seine Seite. »Geht ihr schon einmal vor. Wir kommen gleich nach«, rief sie den anderen zu und schritt dann rasch den Gang hinunter, ehe Franz Leopold noch eine seiner spöttischen Bemerkungen loswerden konnte.
»Beeilt euch lieber«, rief Ivy ihnen nach. »Auch wenn es hier drinnen dunkel bleibt, wird euch bei Sonnenaufgang der Schlaf übermannen!«
Alisa gab keine Antwort. Die kleine Lampe in der Hand, ging sie neben Malcolm her und genoss das Gefühl, mit ihm allein zu sein. Sie bogen mal nach rechts ab und dann wieder nach links. Sie folgte ihm und lauschte seiner Stimme, die von London und seiner Familie erzählte. Es dauerte eine ganze Weile, ehe Alisa auffiel, dass sie Ireens Spur gar nicht wahrnehmen konnte. Da war nur Malcolms Geruch.
»Sie war nicht hier!«
»Wer?«
»Ireen! Ich kann nicht den leisesten Hauch von ihr spüren.«
Malcolm sah ihr nicht in die Augen. »Dann muss ich sie wohl verloren haben. Drei Abzweigungen weiter vorn war es noch ganz deutlich.« Er nahm ihr die Lampe ab und ging voran. Mit schnellen Schritten führte er sie durch die Gänge. Alisa folgte ihm. Nachdenklich betrachtete sie seinen Rücken und versuchte, sich nicht davon ablenken zu lassen, wie geschmeidig er sich bewegte und wie schön sein Körper geformt war.
Irgendetwas war seltsam. Wenn sie nur nicht so müde wäre. Eine bleierne Erschöpfung, die ihr wohlbekannt war, griff nach ihren Gliedern und ihrem Geist. Sie
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