Lycana
formuliert. Das Vorhaben mit ihrem Talent unterstützen würde.«
Bram sah von Mutter zu Sohn. »Was für Männer? Und was genau haben sie vor?«
»Es sind Nachkommen der alten Weggefährten der Young-Ireland-Bewegung der Fünfzigerjahre«, sagte die Lady nach einigem Zögern, »unterstützt von einigen Feniern, deren Väter einst nach Amerika auswanderten.«
Das Vorhaben musste sie nach diesen Worten nicht mehr erklären. Hatten die verschiedenen Bewegungen sich in der Wahl der Mittel auch unterschieden, so war das Ziel doch immer eine Emanzipation Irlands von England gewesen. Und dass diese Männer, die sich in den Mooren des Westens trafen, diese nicht mit Mitteln der Diplomatie zu erreichen suchten, war Bram sofort klar.
»Es war ein Fehler, dass wir im Jahr 1848, als in ganz Europa die Feuer des Umsturzes brannten, den Beginn des Aufstands verschoben haben«, sagte Lady Wilde.
»Es war das Jahr der großen Hungersnot«, warf ihr Sohn ein. »Der Aufstand hätte mitten in der Erntezeit begonnen und noch mehr Tote gefordert.«
»Das musst du mir nicht sagen!«, rief seine Mutter in scharfem Ton. »Ich habe damals nach Duffys Verhaftung die Nation herausgegeben und alles versucht, das Feuer bis nach der Ernte weiterzuschüren, doch es zerfiel zu Asche - auch weil die erhoffte Unterstützung aus Amerika und Frankreich ausblieb. Und dann war die Chance vertan.«
Bram Stoker beugte sich in seinem Stuhl vor und sah die Lady durchdringend an. »Und Sie glauben, dass es dieses Mal funktionieren kann? Fürchten Sie nicht, dass Sie sich und Ihre Familie ins Unglück stürzen könnten, wenn dieser geplante Aufstand - wie so viele vorher - in einem lächerlichen Strohfeuer endet? Verzeihen Sie mir die offenen Worte, aber Ihr Gatte hatte nicht nur Bewunderer! Viele seiner Neider würden sich die Hände reiben.«
Für einen kurzen Moment dachte Bram, die Lady würde ihn des Hauses verweisen, doch das kurze Flackern in ihren Augen erlosch.
»Ich habe versprochen, nichts zu tun, was meine Söhne in Misskredit bringen könnte. Und dennoch …« Da war es wieder, das kriegerische Funkeln. »Niemand kann mich davon abhalten, meine Meinung zu Papier zu bringen. Und wenn diese Artikel helfen, mit der rechten Stimmung den Boden für einen erfolgreichen Aufstand zu bereiten, dann ist es meine Pflicht als Irin, mein Talent dafür zu nutzen. Mein Alter Ego Speranza ist zurück, und ich sage Ihnen, sie hat mit den Jahren nichts von ihrer Kraft verloren!«
Bram sah verstohlen zu Oscar hinüber, der nicht gerade glücklich wirkte. Er verstand, dass der Freund seine Mutter nur deshalb auf dieser Reise begleitete, weil es ihm nicht gelungen war, sie davon abzuhalten, und er nun hoffte, sie vor Schwierigkeiten zu bewahren, nicht jedoch, weil er selbst ein Gewehr in die Hand nehmen und sich unter die Rebellen einreihen wollte. Er war kein Mensch, der sich handgreiflich in das politische Geschehen einmischte. Er war ein Ästhet, der sich am Klang seiner eigenen Sonette berauschte. Und auch wenn er sich selbst gern reden hörte, so doch im Kreis von Gleichgesinnten, denen es um Kunst und Schönheit ging, nicht auf der politischen Bühne. So beredt sein Freund auch sein mochte, ob ihm sein Ziel in diesem Fall gelingen mochte, wagte Bram zu bezweifeln. Lady Wilde vermittelte nicht den Eindruck, als würde sie sich von irgendjemandem dreinreden lassen.
Sie aßen und tranken eine Weile schweigend. Der Diener schenkte Wein nach und verließ dann wieder das Zimmer. Brams Gedanken wanderten nach Westen zu einsamen Mooren und tapferen Männern, die mit wilder Entschlossenheit für ein freies Irland zu kämpfen bereit waren. Plötzlich kam ihm eine Idee.
»Dürfte ich Sie begleiten?« Mutter und Sohn starrten ihn gleichermaßen überrascht an.
»Was?«, sagte Oscar schließlich. »Du willst mit uns nach Connemara kommen? Hast du vor, dich als Revolutionär zu beweisen? Sei vorsichtig! Man kann dabei sehr leicht seinen Kopf verlieren.«
Bram fasste sich mit einem schiefen Grinsen an den Hals. »Danke für den Hinweis, mein Freund. Ich habe vor, meinen Kopf noch etliche Jahre auf den Schultern zu tragen. Ich gebe zu, ich bin neugierig auf die Verschwörer, aber auch auf den wilden Westen Irlands mit seinen kargen Landschaften, wohin einst die Engländer unsere großen Clans verdrängt haben, um sie nach und nach ihrer Macht zu berauben und auszuhungern. Es ist das Land unserer Geschichte - der Mythen und Sagen. Soll es nicht Werwölfe in
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