LYING GAME Und raus bist du
das nicht sterbenscool?«
Emma schluckte, die bedrohlichen Worte »Sutton ist tot« gingen ihr zum millionsten Mal durch den Kopf. Mehr oder weniger. »Mal sehen.«
»Ich freue mich so für dich!« Die Verbindung wurde kurz unterbrochen. »Oje, da ruft mich jemand an«, sagte Alex. »Wir reden später, okay? Du musst mir alles haarklein erzählen!«
Dann legte sie auf. Emma hielt sich das warme Handy noch ein paar Sekunden lang ans Ohr. Schuldgefühle stiegen in ihr auf wie Wasser in einem kaputten Hydranten. Sie hatte Alex noch nie zuvor angelogen, besonders nicht in einer so wichtigen Angelegenheit. Aber sie hatte nun mal keine Wahl.
Ein Knacken ließ sie erstarren. War das ein … Schritt gewesen? Sie drehte sich langsam an, während die Stille ihr in den Ohren dröhnte. Es war dunkel und ruhig geworden. Die Alarmanlage eines SUV blinkte rot hinter der Windschutzscheibe des Wagens. Beim Vorderrad bewegte sich etwas, und Emma fuhr zurück. Eine sandfarbene Eidechse huschte unter dem Auto hervor und eilte zu einem großen Müllcontainer auf Rollen.
Emma fuhr sich übers Gesicht und versuchte, sich zu beruhigen. Am Ende der Straße breitete sich der Park vor ihr aus, eine große, gepflegte Rasenfläche mit Spielplätzen und Sportanlagen. Sie joggte den restlichen Weg, die Tennistasche schlug gegen ihre Hüfte. Ein paar schwitzende Typen mit nackten Oberkörpern packten auf dem Basketballfeld ihre Sachen zusammen. Zwei Jogger machten bei einem großen, grünen Abfalleimer Dehnübungen. Eine Art silberner Parkautomat mit Münzschlitz stand vor den mit Maschendraht umzäunten, aber frei zugänglichen Tennisplätzen. »Fünfundsiebzig Cent pro halbe Stunde« stand auf einem kleinen Schild am Pfosten.
Emma sah sich nervös um. Die Basketballspieler waren gegangen und hatten alle Hintergrundgeräusche mitgenommen. Wind rauschte in ihren Ohren, und sie hörte noch ein anderes, leises Geräusch zu ihrer Linken. Vielleicht ein Schlucken? »Hallo?«, rief Emma leise. Keine Antwort.
Reiß dich zusammen , befahl sie sich. Sie straffte die Schultern und warf ein paar Münzen in den Automaten. Über ihr ging eine Flutlichtanlage an, die so grell war, dass Emma sich schützend die Hand vor die Augen hielt. Sie öffnete das Tor im Maschendrahtzaun und schaute auf den blaugrünen Platz hinaus. Und dann … sah sie etwas. Ein Junge lag mitten auf dem Platz, Arme und Beine weit von sich gestreckt.
Emma schrie. Der Junge schoss hoch, worauf Emma noch lauter schrie und ihm ihren Tennisschläger entgegenschleuderte. Er prallte auf dem Bodenbelag ab und landete neben dem Netz. Der Typ kniff die Augen zusammen und schaute sie an.
»Sutton?«, fragte er nach einer kleinen Pause.
»Oh«, keuchte Emma. Es war Ethan.
Ethan hob den Tennisschläger auf und kam zu ihr. Er trug ein schwarzes T-Shirt, blaue Shorts und graue New-Balance-Turnschuhe. »Gott, bin ich froh, dass du das bist«, sagte Emma.
Ethan rümpfte die Nase. »Wirfst du immer mit Tennisschlägern nach Leuten, über die du dich freust?«
Emma nahm den Schläger entgegen. »Sorry. Du hast mir Angst eingejagt. Ich dachte, du seist …« Sie verstummte. Der Mörder meiner Schwester. Ein böser Stalker, der Drohbriefe schreibt.
»Der schwarze Mann?«, half Ethan ihr aus.
Emma nickte. »So in etwa.«
Die Jogger liefen an ihnen vorbei. Ein tiefgelegtes Auto rollte die Straße entlang und hupte. Der Hupton war die Titelmusik des Paten . Emma schaute wieder zu Ethan. »Warum liegst du denn hier im Dunkeln herum?«
»Ich schaue mir die Sterne an.« Ethan deutete in Richtung Himmel. »Ich bin fast jeden Abend hier. Man sieht sehr viel, weil es hier so dunkel ist. Jedenfalls war es das, bis du hier aufgetaucht bist.« Er lehnte sich gegen einen mit Steinplatten gefliesten Trinkbrunnen am Rand des Spielfelds. »Und was machst du hier? Spionierst du mir nach?«
Emma wurde rot. »Nein. Ich wollte Tennis spielen. Mein Spielniveau ist im Sommer in den Keller gefallen.«
»Willst du Nisha zeigen, wo der Hammer hängt?«
Emma schaute erstaunt auf. Woher wusste er das?
Ethan grinste, als habe er ihre Gedanken gelesen. »Eure Rivalität ist legendär. Sogar ich habe davon gehört.«
E mma musterte Ethans markante Wangenknochen, sein e tief liegenden Augen und die muskulösen Schultern. Im Französischunterricht hatte er die ganze Stunde lang aus dem Fenster gestarrt und mit niemandem gesprochen. Er war der einzige Schüler, den Madame Renault in Ruhe gelassen hatte. Auf den Fluren
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