LYING GAME Und raus bist du
auszugehen … allein.
Das würde an meiner Liebe nichts ändern , hatte er gerade gesagt. Aber wenn er Sutton wirklich liebte, wieso merkte er dann nicht, dass Emma nicht Sutton war?
»Ich habe ziemlich viel zu tun«, murmelte sie.
Garrett nahm Emmas Hände. »Wir müssen unbedingt miteinander reden. Ich habe nachgedacht …« Er verstummte. »Du weißt schon, über das, was wir im Sommer besprochen haben. Ich glaube, du hast recht.«
»Okay«, sagte Emma vorsichtig. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass das Gespräch in einer Sprache stattfand, die sie nicht verstand. Es war extrem anstrengend, den ganzen Tag so zu tun, als verstünde sie, worüber alle mit ihr redeten.
Gestern Abend nach dem Tennisspiel mit Ethan hatte sie sich auf Suttons Computer bei Facebook eingeloggt. Sie wollte unbedingt so viel wie möglich über ihre Schwester herausfinden – wer sie war, was sie gerne machte … wer sie möglicherweise umgebracht hatte.
Autovervollständigen sei Dank bekam sie Zugriff auf Suttons Profil, ihren Usernamen und ihr Passwort. Emma h atte Suttons Facebook-Einträge noch einmal gelesen und versucht, sich ein Bild von ihrer Persönlichkeit, ihrer Vergangenheit und ihren Freundinnen zu machen, aber das meiste hatte sie bereits im öffentlich zugänglichen Teil gelesen. Über Garrett erfuhr Emma beispielsweise nur, dass Sutton ihn bei seinen Auswahlmannschafts-Fußballspielen anfeuerte, mit ihm und seiner jüngeren Schwester Louisa viel Zeit verbrachte und ihn modisch beriet. Sutton hatte sogar geschrieben: »Habe ich meinem Freund nicht ein cooles Hemd ausgesucht? Er ist meine kleine Anziehpuppe!«
Zuerst hatte ich das Bedürfnis, mich zu verteidigen. Woher nahm Emma das Recht, über mein Leben zu urteilen. Aber dann dachte ich nach. Warum war mir eigentlich Garretts Kleidung so wichtig? Hatte ich einfach das Bedürfnis, nicht nur mich, sondern auch einen anderen Menschen gut anzuziehen … oder war ich tatsächlich ein Kontrollfreak?
Außerdem hatte Emma begonnen, Suttons Telefon zu benutzen. Es hatte eine Trillion Mal geklingelt, seit es in ihren Besitz gelangt war, und es hätte merkwürdig gewirkt, wenn sie nicht drangegangen wäre. Sie hatte den SMS -Speicher nach Nachrichten durchsucht, die ihr etwas über Sutton verraten würden, aber es waren nur nichtssagende Angaben zu Treffpunkten (»Mi Nidito um sieben«) oder Zeiten (»Bin spät dran. Bin in zehn Min da«) oder Beleidigungs-Dialoge – »Versagerin« hatte sie Charlotte geschrieben, die mit »Schlaaampe« geantwortet hatte.
An dem Abend, an dem Sutton auf Emmas Facebook-Nachricht geantwortet und sie nach Tucson eingeladen hatte, hatte sie um 16.23 einen Anruf von Lilianna angenommen, um 20.39 einen Anruf von Laurel verpasst. Später hatte Madeline dreimal vergeblich versucht, Sutton zu erreichen, und zwar um 22.32, 22.45 und 22.59. Nachrichten hatte sie nicht hinterlassen.
Dann gab es noch den Aktenschrank unter Suttons Schreibtisch, der mit dem großen, pinkfarbenen Vorhängeschloss gesichert und mit »Das L-Spiel« beschriftet war. Emma hatte überall nach dem Schlüssel gesucht. Sie hatte sogar versucht, mit einem Schuh das Schloss aufzuschlagen, aber das hatte nur dazu geführt, dass Laurel in ihrem Türrahmen erschien und sie fragte, was denn in sie gefahren sei. Sie musste das Ding unbedingt öffnen – aber wie?
»Was habt ihr zwei Hübschen denn vor?« Madeline kam um die Ecke und drängte sich zwischen Emma und Garrett. Emma hatte sie gestern beim Mittagessen zuletzt gesehen. Heute trug sie ein grünes Kleid, das definitiv kürzer war als die Schul-Kleiderordnung erlaubte, schwarze Netzstrümpfe und schwarze Stiefel. Ihr rubinroter Mund verzog sich zu einem Lächeln.
»Ich versuche gerade, Sutton zu einem Nacho-Festmahl zu überreden«, sagte Garrett.
Madeline zog eine Grimasse. »Von Nachos kriegt man Cellulitis.« Sie packte Emma am Handgelenk. »Und außerdem kann sie nicht. Sie geht jetzt mit mir einkaufen. Es ist ein Notfall. Ich brauche unbedingt alles neu.«
»Aber …« Garrett verschränkte schmollend die muskulösen Arme vor der Brust.
»Sorry«, sagte Emma und hakte sich dankbar bei Madeline unter.
»Aber unsere Verabredung am Samstag steht, oder?«, rief Garrett ihr nach. »Abendessen?«
»Äh, klar!«, rief Emma zurück.
Sie ging mit Madeline durch den Naturwissenschaftstrakt. Alle Türen standen offen und enthüllten klobige Labortische, Schränke voller glänzender Glasflaschen und riesige Plakate mit dem
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