Lykos (German Edition)
gewesen, wegen der Stille und so. Es war ein sehr schöner Abend. Wir gingen an einer langen Mauer am Rand eines Feldes entlang. Plötzlich warf jemand von dort mit einem Schweinekopf nach uns, können sie sich das vorstellen?“
„Mit einem Schweinekopf?“, fragte Straub ungläubig.
„Ja, ich wollte den Typen gerade zur Rede stellen, als er über die Mauer gesprungen kam und mich wegschubste. Ich stürzte und schlug mir den Kopf an der Mauer ein und sah für einen Moment Sterne. Dann bin ich wieder hoch und der Typ war weg. Zum Glück für ihn, ansonsten hätte ich ihn ...“
„War der Kerl bewaffnet?“
„Nein.“
„Sie haben sich also keine weiteren Verletzungen zugezogen?“
„Nein, hab ich nicht.“
„Gut, Herr Ritsch, das war es eigentlich schon. Vielen Dank für ihre Zeit, die sie uns geopfert haben“, sagte Straub und verabschiedete sich zusammen mit seiner Kollegin.
Ritsch murmelte etwas von „Keine Ursache“ und begleitete die beiden Polizisten hinaus. Er blickte ihnen noch kurz nach und schloss dann die Tür. Was er danach tat, konnten die Kriminalbeamten nicht wissen, aber auf jeden Fall unterhielten sie sich im Wagen noch über ihn.
„Hast du das Chaos in dem Haus bemerkt?“, fragte Damm mit hochgezogenen Brauen. „Das passt überhaupt nicht zum gepflegten Aussehen hier draußen. Der Typ scheint seinen eigenen Unrat noch nicht einmal bemerkt zu haben. Aber wie ein typischer Messi sah er auch nicht aus.“
„Er lügt auf jeden Fall. Verschweigt die Kratzer auf seiner Brust und kann sich angeblich erst auf Nachrage an das Ereignis erinnern, das er dann anschließend ausführlich beschreibt“, antwortete Straub. „Wenn ich jetzt bloß noch einen Zusammenhang mit der Art der Morde zusammenkriegen würde, wären wir ein gutes Stück weiter. Eigentlich habe ich mich vor diesem Augenblick gefürchtet“, murmelte der Oberkommissar.
„Weshalb denn das?“, wunderte sich seine Kollegin.
„Wir haben vielleicht einen Verdächtigen – aber wir haben nicht die geringste Ahnung, wie und mit wem er die Taten ausführen könnte. Das reicht noch nicht einmal als Anfangsverdacht für eine weitere Untersuchung des Hauses. Ich würde nämlich auch gern seine Frau sprechen. Angela, da stimmt eine ganz gewaltige Menge nicht!“
„Du meinst, die Sache mit dem ...?“
„Dem Werwolf?“ Straub atmete hörbar tief ein und schwieg eine geraume Weile, während Damm den Wagen aus dem Neubaugebiet herauslenkte und wieder zurück zum Präsidium fuhr. „Vielleicht denkt er ja wirklich, dass er sich in ein Monster verwandelt. Vielleicht handelt es sich auch um eine noch nicht bekannte Krankheit, welche den Kranken für eine Zeit lang mehr als die normalen Kräfte verleiht. So etwas gibt es zum Beispiel bei Tollwut. Die Opfer können oftmals nicht von drei Männern gehalten werden, ich habe darüber gelesen, und Leuschenberger hat so etwas ja auch berichtet“, erinnerte Straub sich.
„Das erklärt noch immer nicht die Bissmuster, und ...“
„Ich weiß, ich weiß. Hör auf, Angela. Bleiben wir also am Ball und beobachten diesen Ritsch. Wenn es sein muss, Tag und Nacht. Ich schließe hier überhaupt nichts mehr aus und bin auf alles gefasst. Wenn der Kerl sich tatsächlich in einen Wolf oder was auch immer verwandelt, dann werde ich ihn eigenhändig zähmen“, knurrte der Oberkommissar gereizt ...
Jagd
Zwei Becher mit dem sogenannten „Coffee to go“ und eine Tüte Geflügelteile von Burger King waren die ganze Verpflegung, die sie im Fahrzeug hatten. Straub pustete, bevor er vorsichtig einen Schluck trank. Das Zeug schmeckte nicht besonders gut, eine Mischung aus Pappe und Plastik drängte sich in das Kaffeearoma – aber es war wenigstens heiß. Nun standen sie hier draußen vor dem Haus und observierten Bernd Ritsch. Tag und Nacht, so wie der Oberkommissar es selbst verlangt hatte. Er und seine Kollegin waren heute mit der Nachtschicht dran. Es war der dritte Tag in Folge, den sie und die anderen Polizisten der Soko dazu nutzten, die Gewohnheiten des Verdächtigen zu beobachten und zu dokumentieren. Straub wusste, dass eine so intensive Beobachtung viel Zeit und Personal band und dass er schnell Erfolge brauchte, wenn er diese Maßnahmen gegenüber seinem Vorgesetzten weiterhin begründen wollte. Geschehen war bisher jedoch leider noch nicht viel. Genaugenommen war noch überhaupt nichts passiert. Sowohl Bernd Ritsch, als auch seine Frau schienen weder jemals das Haus zu verlassen, noch
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