Lynettes Erwachen
konnte ihr nicht in die Augen sehen. „Wollen wir uns in den Sand setzen?“
„Rücken an Rücken?“, fragte Lynette schmunzelnd, um die drückende Stimmung zu mildern. Als sie noch ein Kind war, hatten sie das getan. Der Körperkontakt gab ihr Halt. Jetzt schien es allerdings so, als bräuchte Robert diesen Halt.
„Ich habe deine Mutter über alles geliebt“, begann er zu sprechen. „Selbst an diesem verhängnisvollen Tag, als ich dich und sie verlassen habe, liebte ich sie immer noch. Es hat mich zerrissen, ihr nicht geben zu können, was sie brauchte.“
„Warum habt ihr überhaupt geheiratet? Habt ihr das nicht früher gemerkt?“
„Doch, aber dann wurde Cynthia schwanger. Ich habe sie angefleht, meine Frau zu werden. Wahrscheinlich habe ich gehofft, dass meine Liebe zu ihr und dir ausreichen würde, uns alle glücklich zu machen. Ich habe mich geirrt.“
Lynette zitterte. Wegen ihr hatten sie sich ins Unglück gestürzt. Wäre Cynthia nicht schwanger geworden, wäre das alles nicht passiert.
Plötzlich kniete Robert vor ihr, ergriff ihre Hände und sah ihr tief in die Augen.
„Lynn, du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Für nichts auf der Welt würde ich dich hergeben. Ich bereue lediglich, dass wir uns so viele Jahre genommen haben. Du warst zu jung, um dir zu erklären, was zwischen mir und deiner Mutter war.“
„Ich weiß“, seufzte sie. „Drehst du dich um? Ich muss dir was sagen.“
„Ich weiß, was du mir sagen willst. Jonas und ich sind seit ein paar Jahren befreundet, und wer hierherkommt, zählt zu Charlottes engerem Kreis. Wenn du damit glücklich bist, freue ich mich für dich, und Elias scheint ein netter Mann zu sein.“
Lynette starrte mit hochrotem Kopf auf die Finger in ihrem Schoß. Das war alles so peinlich, und sie wünschte, ihr Dad würde sich umdrehen. Wie sollte man mit seinem Vater über sexuelle Neigungen sprechen, und das mit dreißig?
„Ich liebe Elias. Er ist nicht nur mein Freund, er ist mein Leben. Er ist alles für mich.“
„Macht er dich glücklich?“
Lynette wusste, wie diese Frage gemeint war. Sie nickte. „Durch ihn habe ich zu mir selbst gefunden.“
Robert streichelte ihr über die Wange. „Meine Kleine“, sagte er liebevoll. „Wirf die Scham über Bord. Ich musste vierzig werden, um von meinen Neigungen zu erfahren.“
Entsetzt riss sie den Kopf hoch und starrte ihren Vater mit offenem Mund an. Dann drehte sie sich um, wandte ihm den Rücken zu.
„Wie hast du das gemeint?“, fragte sie mit einem Zittern in der Stimme.
„Ich konnte deiner Mutter nicht geben, was sie wollte, weil ich in keinster Weise dominant bin, nicht in dieser Hinsicht. Ich bin Masochist, Lynette, und ich schäme mich nicht. Als ich das endlich begriffen habe, war das wie eine Befreiung für mich.“
Lynette verbarg das Gesicht in den Händen. Ihr ganzer Körper bebte. Robert legte ihr eine Hand auf den Rücken. „Bitte verachte mich nicht, Lynn.“
Ein hysterisches Lachen brach sich Bahn. Lynette wirbelte herum, schmiss sich in seine Arme und lachte, bis ihr die Tränen kamen. Das war der helle Wahnsinn! Warum ging das Leben so verworrene Wege? Plötzlich kam ihr ein beängstigender Gedanke. Unvermittelt hob sie den Kopf und sah ihn an.
„Charlotte ist nicht deine Domina?“
„Nein!“
„Das ist eindeutig mehr, als ich je wissen wollte, aber ich liebe dich, Dad.“
„Was für ein Tag“, lachte Robert sichtlich erleichtert. „Ich werde mich demütig bei Charlotte bedanken müssen.“
Ein gruseliger Gedanke. In den letzten Wochen hatte Lynette jedoch gelernt, dass unangenehme Dinge mit Humor viel besser zu ertragen waren.
„Nicht bei Charlotte. Du musst dich unterwürfig vor Elias in den Staub werfen. Wir sind erst seit ein paar Wochen zusammen. Er hätte mich nicht mitnehmen müssen.“
„Das musst du mir alles noch ausführlich erzählen. Lass uns zurückgehen, bevor uns jemand vermisst. Wie lange könnt ihr bleiben?“
Lynette ging an der Hand ihres Dads zum Haus zurück. „Für Mittwoch haben wir einen Flug nach L.A. gebucht. Ich wollte partout meine Vergangenheit klären, um unbelastet in die Zukunft zu sehen.“
„Du hättest mich besucht?“
„So war es geplant. Wo ist eigentlich Susan?“
„Die sitzt im Taxi zum Flughafen. Ich habe mich endgültig von ihr getrennt.“
Das tat Lynette nicht unbedingt leid. Die Frau war eine Katastrophe.
„Sie wird dich ausnehmen wie eine Weihnachtsgans. Brauchst du eine gute
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