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Lynettes Erwachen

Lynettes Erwachen

Titel: Lynettes Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Marcuse
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war sie gewesen und gerade vom Ballettunterricht zurückgekommen.
     
    Abgehetzt, erschöpft und glücklich ging sie direkt unter die Dusche. Zum ersten Mal hatte sie die Choreografie fehlerfrei hinbekommen. Miss Madeleine hatte nichts auszusetzen gehabt, und das war wirklich eine Leistung. Miss Madeleine fand immer Grund zum Meckern.
    Lynette lächelte unter der Dusche vor sich hin. Ihr war nach singen und kreischen und lachen zumute.
    Da hörte sie den Schrei.
    Etwas in ihr zerriss. Sie hatte die Stimme als die ihrer Mutter erkannt, obwohl sie fremd und beängstigend klang. Es war ein wutverzerrter, hasserfüllter Schrei.
    Das warme Wasser prasselte ihr auf den Rücken, und Lynette war unfähig, sich zu bewegen. All die Freude und Euphorie flossen aus ihr heraus und gemeinsam mit dem Wasser den Abfluss hinab.
    „Ich hasse dich, du Arschloch, Nichtsnutz, Versager. Geh zu deinem kleinen Flittchen. Ich will dich hier nicht mehr sehen. Und glaub ja nicht, dass du irgendetwas mitnehmen kannst. Das Haus, die Möbel, das Geld, alles gehört mir. Du gehst mit nicht mehr, als du gekommen bist. Du egoistisches Schwein, Schlappschwanz. Und nimm deine verzogene Tochter mit.“
    Das Blut gefror ihr in den Adern. Sicher, das Verhältnis zu ihrer Mutter war oberflächlich, kalt und von wenig Interesse geprägt, aber dass diese sie loswerden wollte, darauf wäre Lynette nicht gekommen. Und Papa? Der war nie da. Seit er die neue Praxis eröffnet hatte, war er zum Essen und Schlafen nach Hause gekommen. Lynette vermisste ihn, sein Lachen, die Wärme und Fürsorge.
    Sie zitterte am ganzen Körper und wagte kaum zu atmen. Was sollte sie jetzt tun? Ihre Eltern hatten wahrscheinlich nicht mitbekommen, dass sie im Haus war.
    Jedes weitere Geräusch vermeidend, drehte sie das Wasser ab und griff nach einem Handtuch. Schützend wickelte sie das dicke Frottee um den dünnen Körper. Sie lauschte – da war nichts als Stille. Lautlos öffnete sie die Tür und spähte in den Flur. Ein leises Schnaufen und Wimmern weckte ihre Aufmerksamkeit. Das Geräusch kam aus der Bibliothek, neben dem Schlafzimmer ihrer Eltern. Leise huschte sie den Gang entlang, bis sie an der angelehnten Tür stehen blieb. Ein ersticktes Schluchzen drang an ihre Ohren. Weinte ihre Mutter etwa? Zaghaft gab Lynette der Tür einen Schubs, die lautlos aufschwang.
    Mit weit aufgerissenen Augen und vor Entsetzen offenem Mund starrte Lynette in den Raum.
    Ihre Mutter lag über den massiven Schreibtisch gebeugt, die Arme im Rücken mit einer Kordel verschnürt. Vater stand hinter ihr, presste die Hand auf den Mund ihrer Mutter, wodurch ihr Kopf weit in den Nacken gerissen wurde. Lynette sah den blanken Hintern ihres Vaters und die verräterischen Bewegungen des Beckens. Ihre Mutter schrie auf, doch der Schrei wurde durch die unbarmherzige Hand des Vaters gedämpft. Hart und wild presste er sich ins Innere seiner Frau.
    „Ist es das, was du willst, du Schlampe? Härte und Ficken. Du empfindest keine Liebe, du Miststück. Nur Geilheit.“ Unaufhörlich beschimpfte er sie, während er seinen Schwanz in sie stieß.
     
    Stocksteif lag Lynette in ihrem Bett. Die Erinnerung war so schnell über sie gekommen, dass sie sich nicht hatte wehren können. Jetzt, fast sechzehn Jahre später, formte sich ein neues Bild vor ihrem geistigen Auge. Sie sah die Lust in den Augen ihrer Mutter und die Verzweiflung des Vaters.
    Schlummerte diese Maßlosigkeit auch in ihr?
    Nach diesem Abend, als sie ihre Eltern beim Sex erwischt und ihr Vater wortlos das Haus verlassen hatte, entwickelte sich Lynette zu derselben kalten und berechnenden Frau wie ihre Mutter. Sie ließ keine Gefühle mehr zu, unterdrückte ihre Begierden und Wünsche, um sich zu schützen. Die wenigen Besuche bei ihrem Vater und dessen neuer Freundin gerieten zum Desaster. Als sie ihn das letzte Mal sah, weinte er in ihren Armen, und Lynette hatte ihn verachtet, genau wie ihre Mutter ihn verachtet hatte.
    War sie das Ebenbild ihrer Mutter geworden?
    Cynthia Harllow hatte sie aus hasserfüllten Augen angestarrt, als sich ihr Mann aus ihr zurückzog und sie die Tochter im Türrahmen entdeckt hatte. Von diesem Tag an war alles anders geworden. Mutter trank, schlief wahllos mit ihr unbekannten Männern und ließ sich hängen. Lynette besuchte die Schule, das Ballett und lungerte bei Justine herum.
    Alles, nur nicht nach Hause gehen müssen.
    Mit jeder Woche, jedem Monat, der verstrich, wich die Kraft aus Lynettes schmächtigem Körper.

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