Lynettes Erwachen
bedeuten, und was sagt dir die Stimme?“
„Lynette, ich weiß, was du von mir hören willst, aber das wird nicht funktionieren. Ich kenne den Mann nicht, und selbst wenn, würde ich ihn nicht für dich analysieren. Du wirst das gleiche Risiko eingehen müssen wie alle anderen. Was hast du zu verlieren? Einsamer kann dein Leben nicht werden.“
„Ich mag es nicht, wenn du recht hast.“
„Ich habe meistens recht, bin schließlich Psychologin.“
Justine lächelte verschmitzt, und Lynette musste sich ein Gähnen verkneifen.
„Bist du mir böse, wenn ich ins Bett gehe?“, fragte sie. „Ich habe letzte Nacht nur drei Stunden geschlafen.“
„Ach, Quatsch. Ich bin auch müde. Lass uns abhauen.“
Eine halbe Stunde später saß Lynette auf dem Bett und starrte das Handy an. Sollte sie ihm noch antworten oder lieber bis morgen warten? Seine Stimme zu hören, würde ihr jetzt zu viel, also tippte sie eine SMS.
Ich würde die Villa gern sehen. Wann wollen wir uns treffen?
Keine fünf Minuten später kam die Antwort.
Wo bist du? Ich habe mir Sorgen gemacht.
In Faversham. Hier war mal mein Zuhause, und ich wollte das Meer sehen.
Geht es dir gut?
Jetzt ja. Du hast ein bemerkenswertes Talent, mich durcheinanderzubringen.
Ich hätte bleiben sollen. Es tut mir leid.
Unsinn. Ich bin ein großes Mädchen. Ich komme klar.
Sicher?
Ja! Wann wollen wir uns treffen?
Wann kommst du zurück?
Morgen Abend.
Hast du Lust auf ein Schokoladendessert?
Ja! Jetzt! Lynette stellte sich sein Lächeln vor, wenn er das las.
In welchem Hotel bist du?
Das konnte er nicht ernst meinen?
Das sollte ein Scherz sein , schrieb sie zurück und kicherte vor sich hin.
Welches Hotel????
Haus Agnes am Markt. Aber es ist doch viel zu spät?
Sie bekam keine Antwort.
Ihre Hände begannen zu zittern. So was Verrücktes! Sie war nach Faversham gefahren, um sich über ihre Gefühle klar zu werden, und jetzt kam er ihr hinterher. Hatte er keine anderen Frauen im Club? Machte es ihn so sehr an, eine Fast-Jungfrau zu erobern, dass er nachts um zwölf zwei Stunden Autofahrt in Kauf nahm?
Lynette wusste selbst nicht, warum sie der Gedanke, er könnte herkommen, so wütend machte. Oder war er genauso durcheinander wie sie? Nein! Das war das Letzte, woran sie glauben konnte. Ein Mann mit seiner Erfahrung und einem ausgeprägten Liebesleben verwechselte Sex nicht mit Liebe. Das taten kleine Mädchen oder Frauen, die sich wie kleine Mädchen benahmen.
Aufgewühlt lief sie im Zimmer auf und ab. Was würde sie tun, sollte er wahrhaftig vor der Tür stehen? Sollte sie zu Justine gehen und ihr sagen, dass er kommen wollte? Unsinn! Justine schlief bestimmt schon. Oh Gott! Ihr ganzer Körper zitterte in einer Mischung aus Angst und Erwartung. Um sich zu beruhigen und die Zeit zu überbrücken, ging sie unter die Dusche. Das warme Wasser brachte die Müdigkeit zurück. Erschöpft sank sie aufs Bett und sah auf den Wecker. Ein Uhr! Sie stellte den Wecker auf zwei und kuschelte sich in die Decke. Wenige Augenblicke später war sie eingeschlafen.
Kapitel 9
Der Marktplatz war menschenleer. Kein Wunder, in diesem verschlafenen Nest. Überraschenderweise stand die Eingangstür zur Pension offen. Trotz Sperrstunde saßen im Schankraum noch ein paar Gäste und tranken dunkles Ale.
„Kann ich Ihnen helfen, junger Mann? Ich bin Agnes, die Wirtin.“
„Das hoffe ich.“ Elias schenkte der kleinen, drallen Frau sein schönstes Lächeln. In der Hand hielt er eine Auflaufform mit Schokoladenkuchen. „Ich habe etwas für Ms. Harllow und wüsste gern ihre Zimmernummer.“
„Sind Sie der Grund, warum die kleine Lynette so traurig ist?“ Agnes baute sich vor ihm auf, stemmte die Arme in die breiten Hüften und funkelte ihn böse an.
„Ich befürchte ja. Deshalb bin ich hier. Bitte helfen Sie mir, Miss.“ Elias machte eine betretene Unschuldsmiene. Leider zeigte diese in Agnes’ Fall wenig Wirkung.
Ein abfälliger Laut kam dieser über die Lippen, und mit erhobenem Zeigefinger drohte sie ihm: „Erscheint Lynette morgen früh nicht freudestrahlend zum Frühstück, bekommen Sie es mit mir zu tun, junger Mann. Zimmer acht.“ Damit drehte sie sich um und verschwand in der Küche.
Die fünf Männer im Schankraum starrten Elias grinsend an. „Ich würde mich vor Agnes in Acht nehmen, Jungchen. Mit der ist nicht gut Kirschen essen, wenn sie sauer ist. Ihr rutscht auch schnell mal die Hand aus.“
Kopfschüttelnd und schmunzelnd stieg Elias die
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