Lynne Graham
unklug, Aristandros zu diesem Zeitpunkt herauszufordern. Sie war ziemlich sicher, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, was Kinder brauchten. Er selbst war als Einzelkind bei Eltern aufgewachsen, die weder Zeit noch Interesse für ihn gehabt hatten. Dennoch glaubte sie nicht, dass er je etwas tun würde, das dem Kind Schaden zufügen konnte. Und wenn es ihr gelang, eine tiefe Bindung zu Callie zu schaffen, dann würde er auch erkennen, welchen Schmerz eine Trennung von ihr der Kleinen verursachen würde und Zugeständnisse machen.
„Ella“, drang seine ungeduldige Stimme in ihr Bewusstsein. „Zeit, eine Entscheidung zu treffen, glikia mou .“
Das Bild eines kleinen unbekannten Mädchens im Kopf, sah Ella kühl und gefasst zu Aristandros. Ganz gleich, was sie von ihm und seinen Methoden hielt, er sah umwerfend aus, und das war doch ein Pluspunkt, oder? Aber wie mochte es sein, sich auf eine intime Beziehung mit ihm einzulassen, vor allem, wenn sie auf diesem Gebiet völlig unerfahren war? Nun, es hatte keinen Sinn, sich schon im Voraus deswegen zu sorgen. Damit würde sie sich befassen, wenn es so weit war.
Sie zwang sich, allein an Callie zu denken, und verschloss sich jeder persönlichen Regung – wie verletztem Stolz, empörter Rage und dem Gefühl von Erniedrigung. Wenn sie das Recht erhielt, sich um Callie zu kümmern, würde sie mit allem anderen fertig werden.
„Einverstanden.“ Sie hob würdevoll das Kinn. „Aber du wirst mir genügend Zeit einräumen müssen, damit ich meine Kündigung einreichen kann.“
„Bist du so weit?“ Dr. Alister Marlow steckte den Kopf zur Tür herein, als Ella gerade den vollen Karton von ihrem Schreibtisch hob. Ihr Behandlungszimmer wirkte leer.
„Ja. Das meiste von meinen Sachen habe ich gestern schon ausgeräumt.“ Ella reichte den Karton an ihren Kollegen weiter, der hilfsbereit die Arme ausgestreckt hielt. Ein letztes Mal schaute sie in Schubladen und Schränke.
Der große, gut gebaute blonde Mann musterte sie forschend aus seinen graublauen Augen. „Du siehst müde aus.“
„Es gibt so endlos viel zu organisieren.“ Über den emotionalen Stress ließ Ella kein Wort fallen. Sie musste den Job aufgeben, den sie liebte. All die Jahre, die sie so hart für ihr Ziel gearbeitet hatte … alles umsonst. Sie würde ihre Arbeit und die Kollegen vermissen. Sie würde nicht mehr miterleben, wie es mit ihren Patienten bergauf ging. Sie würde auch nicht erfahren, wie sich die allgemeine Krebsvorsorge entwickeln würde, die sie im Krankenhaus mitorganisiert hatte. Es war alles so schnell gegangen. Nachdem der ihr zustehende Urlaub und die Überstunden verrechnet worden waren, blieben ihr nur noch zwei Wochen bis zu ihrem letzten Arbeitstag.
„Ich bin nicht begeistert, dass du uns verlässt“, sagte Alister auf dem Weg zu ihrem Wagen. „Du warst wertvoll für unser Team.
Aber ich bewundere dich für deine Hingabe für deine Nichte. Wir verlieren, aber sie gewinnt. Meld dich ab und zu, Ella.“
Auf dem Nachhauseweg musste sie ständig daran denken, dass das großzügige Loft, das sie mit Lily teilte, bald nicht mehr ihr Zuhause sein würde. Lily zahlte Ella für ihren Anteil an der Wohnung aus. Ella hätte zwar lieber ihre Hälfte behalten, aber es wäre Lily gegenüber nicht fair, die sich nicht nach einer neuen Mitbewohnerin umsehen wollte. Auch wenn sie Ella sofort versichert hatte, dass jederzeit ein Bett für sie bereitstand, sollte sie es brauchen … es war nicht dasselbe wie der eigene Besitz.
Wie lange würde es dauern, bis Aristandros ihrer überdrüssig wurde? Ihre blauen Augen verdüsterten sich, war sie doch überzeugt davon, dass es sich nur um Wochen handeln konnte. Der Reiz des Neuen würde nicht lange halten. Wohin sollte sie dann zurückkehren, ohne Job und ohne Wohnung? Die Summe aus dem Ver kauf des Lofts reichte nicht aus, um eine eigene Wohnung zu erstehen, sie würde also wieder etwas mieten müssen. Aber ihr ging es viel mehr darum, was aus Callie werden sollte, wenn Aristandros sie hinauswarf. Ob sie den Kontakt zu dem Mädchen halten konnte? Den Kollegen gegenüber hatte sie nichts von der ihr bevorstehenden intimen Beziehung mit dem griechischen Tycoon erwähnt, hatte nur gesagt, sie wolle der verwaisten Nichte helfen, die in Griechenland lebte.
Lily jedoch blieb misstrauisch. „Ich verstehe das nicht. Willst du Callie wirklich so sehr, dass du bereit bist, alles, was du dir aufgebaut hast, aufzugeben?“ Sie saßen zusammen bei
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