Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Masse des Gaboon-Bergs, erhob sich Swer Smod: eine Burg von bescheidener Größe, befestigt nur durch eine hohe Mauer und zwei Erkertürmchen.
Neben dem Pfad, im Schatten von acht schwarzen Zypressen, saßen zwei acht Fuß große Gryphen an einem Steintisch und spielten Schach. Als Aillas nahte, schoben sie die Schachfiguren beiseite und griffen zu ihren Messern. »Kommt hierher«, befahl einer von ihnen, »das spart uns die Mühe, uns zu erheben.«
Aillas zog zwei Honigscheiben aus seinem Bündel und legte sie auf den Steintisch. »Meine Herren, hier ist euer Honig.«
Die Gryphen stießen mürrische Seufzer aus. »Schon wieder Honig«, sagte einer. »Und gewiß fad und abgeschmackt«, nörgelte verdrossen der andere.
Aillas sagte: »Man sollte sich lieber über das freuen, was man hat, anstatt nach dem zu jammern, was man nicht hat.«
Die Gryphen blickten mißfällig auf. Der erste stieß ein drohendes Zischen aus, der andere sagte: »Man wird Plattheiten ebenso überdrüssig wie Honig, so daß man vor lauter Verdruß oft anderen die Knochen bricht.«
»Genießt euer Mahl mit Muße und Appetit«, sagte Aillas und ging weiter bis zum Portal. Eine Frau in fortgeschrittenen Jahren mit einem weißen Gewand sah ihn nahen und trat ihm entgegen. Aillas vollführte eine vollendete Verbeugung. »Madame, ich bin gekommen, um mit Murgen über eine Angelegenheit von großer Wichtigkeit zu sprechen. Würdet Ihr ihm bitte ausrichten, daß ihn Aillas, Prinz von Troicinet, um eine Unterredung ersucht?«
Anstelle einer Antwort bedeutete die Frau ihm mit einer Handbewegung, ihr zu folgen. Sie durchquerten einen Hof, schritten durch eine Vorhalle und kamen in einen Salon, der mit einem Teppich, einem Tischund zwei schweren Sesseln ausgestattet war. Über die gesamte Rückwand des Raumes zogen sich Regale, die mit Hunderten von Büchern vollgestellt waren. Die ledernen Einbände erfüllten den Raum mit einem angenehmen Geruch.
Die Frau deutete auf einen der Sessel. »Nehmt Platz.« Sie verließ den Raum und kam gleich darauf mit einem Tablett mit Nußplätzchen und einem Kelch gelbbraunen Weines zurück, das sie vor Aillas stellte. Dann ging sie wieder hinaus.
Kurz darauf trat Murgen in den Salon, bekleidet mit einem grauen Bauernkittel. Aillas hatte einen älteren Mann erwartet oder zumindest einen Mann von der äußeren Erscheinung eines Weisen. Murgen trug keinen Bart. Sein Haar war zwar weiß, doch eher durch natürliche Veranlagung denn durch Alter bedingt. Seine blauen Augen waren genauso hell und klar wie Aillas' eigene.
»Ihr seid gekommen, um mich um Rat zu fragen?« sprach Murgen.
»Herr, ich bin Aillas. Mein Vater ist Prinz Ospero von Troicinet. Ich bin Prinz in direkter Thronfolgelinie. Vor etwas weniger als zwei Jahren lernte ich die Prinzessin Suldrun von Lyonesse kennen. Wir liebten einander und heirateten. König Casmir ließ mich in ein unterirdisches Verlies werfen. Als mir schließlich die Flucht gelang, mußte ich entdecken, daß Suldrun sich in ihrer Verzweiflung entleibt hatte und unser Sohn Dhrun von den Elfen von Thripsey Shee gegen ein anderes Kind vertauscht und entführt worden war. Ich begab mich nach Thripsey Shee, aber sie blieben unsichtbar. Ich bitte Euch, daß Ihr mir helft, meinen Sohn zu retten.«
»Ihr kommt mit leeren Händen zu mir?«
»Ich trage nichts von Wert bei mir außer ein paar Schmuckstücken, die einst Suldrun gehörten. Ich bin sicher, daß Ihr kein Interesse an ihnen habt. Ich kann Euch nur den Spiegel Persilian anbieten, den ich König Casmir stahl. Persilian wird Euch drei Fragen beantworten – zu Eurem Vorteil, so Ihr die Fragen geschickt und korrekt formuliert. Stellt Ihr ihm jedoch eine vierte Frage, so ist er frei. Ich biete ihn Euch unter der Bedingung an, daß Ihr ihm die vierte Frage stellt und ihm so die Freiheit schenkt.«
Murgen streckte die Hand aus. »Gebt mir Persilian. Ich akzeptiere Eure Bedingungen.«
Aillas trat ihm den Spiegel ab. Murgen schnippte mit den Fingern und sprach leise eine Silbe. Eine weiße Porzellandose schwebte durch den Raum und landete sanft auf dem Tisch. Murgen klappte den Deckel auf und kippte den Inhalt auf den Tisch: dreizehn Gemmen, aus, so schien es Aillas, grauem Quarz geschnitten. Murgen beobachtete ihn mit einem leisen Lächeln. »Ihr findet diese Steine uninteressant?«
»So würde ich sie beurteilen.«
Murgen strich liebevoll mit dem Finger über sie, schob sie zu Mustern zurecht. Er stieß einen Seufzer aus. »Dreizehn
Weitere Kostenlose Bücher