Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Rabenvogel, zu töten, so wird er eine Feder auf den Felsblock fallen lassen, so daß dieser herunterfällt und dich zerschmettert. Am Flusse Siss wird eine alte Frau mit einem Fuchskopf und den Beinen eines Huhnes dich bitten, sie ans andere Ufer zu tragen. Du mußt sofort handeln. Haue sie mit diesem Schwert in zwei Hälften, und trage die Hälften einzeln hinüber. Wo der Weg zum Berg Gaboon ansteigt, wirst du auf zwei bärtige Gryphen treffen. Gib jedem von ihnen sowohl auf dem Hinweg als auch auf dem Rückweg eine Honigscheibe, welche du zu diesem Zwecke zuvor besorgt haben wirst. Vor Swer Smod angekommen, rufe dreimal laut: ›Murgen! Ich bin es, Prinz Aillas von Troicinet!‹ Wenn du Murgen entgegentrittst, hab keine Furcht vor ihm. Er ist ein Mensch wie du – nicht herzlich, aber gerecht. Lausche seinen Instruktionen, befolge sie genau. Einen letzten Rat will ich noch hinzufügen, um mir weitere Vorwürfe von dir zu ersparen. Wirst du auf einem Pferd reiten?«
»Das ist mein Plan.«
»Stalle dein Pferd im Dorf Oswy Untertal ein, bevor du zum Flusse Siss kommst, sonst wird es ein Gras fressen, das es wild macht, und dich abwerfen.«
»Das ist ein wertvoller Rat.« Aillas schaute sehnsüchtig über die Madling-Wiese. »Dennoch würde ich meinen, es wäre sinnvoller, verhandelte ich jetzt gleich mit den Elfen, statt zuerst auf gefährlichen und beschwerlichen Wegen Murgen aufzusuchen.«
»So könnte man meinen. Es gibt jedoch gute Gründe, weshalb es vorteilhafter ist, zuerst Murgen aufzusuchen.«
Mit diesen Worten ließ Persilian abermals Aillas' Spiegelbild auf dem Glase erscheinen. Aillas sah, wie sein Gesicht sich zu einer Reihe alberner Grimassen verzog, bevor es verschwand und der Spiegel erlosch.
In Tawn Timble tauschte Aillas eine goldene, mit Granaten besetzte Brosche gegen einen kräftigen, roten Wallach und Zügel, Sattel und Satteltaschen ein. Bei einem Waffenschmied erwarb er ein Schwert von ordentlicher Qualität, einen Dolch nach lyonessischer Art, mit schwerer, klobiger Klinge, einen alten Bogen, spröde zwar und schäbig, aber, so schätzte Aillas, durchaus brauchbar, wenn man ihn ölte und mit Feingefühl spannte; dazu zwölf Pfeile und einen Köcher. Bei einem Kurzwarenhändler kaufte er einen schwarzen Mantel und eine schwarze Förstersmütze. Der Schuster des Ortes rüstete ihn mit bequemen schwarzen Stiefeln aus. Auf dem Rücken seines Pferdes fühlte er sich endlich wieder wie ein Herr.
Aillas ritt aus Tawn Timble hinaus und wandte sich nach Süden, nach Klein Saffeld. Von dort aus ritt er weiter nach Westen, über die Alte Straße, den Wald von Tantrevalles als dunklen Saum am nördlichen Horizont. Bald wich der Wald ganz zurück, und vor ihm ragten die blauen Schatten des großen Teach tac Teach auf.
In Froschmarschen bog Aillas nach Norden ab, auf die Bittershaw-Straße, und nach angemessener Zeit erreichte er Oswy Untertal, eine lethargische Siedlung von zweihundert Seelen. Aillas mietete sich im Gasthaus »Zum Pfauen« ein und verbrachte den Nachmittag damit, sein Schwert zu schleifen und auf einem Feld hinter dem Gasthaus an einem Strohballen seine Schießkünste mit dem neu erstandenen Bogen zu erproben. Der Bogen schien fest, aber pflegebedürftig. Die Pfeile flogen hinlänglich zielgenau bis auf vierzig Schritt und darüber hinaus. Aillas empfand eine melancholische Freude, als er Pfeil um Pfeil hintereinander treffsicher in ein sechs Zoll großes Ziel sandte. Er hatte nichts von seiner Zielsicherheit eingebüßt.
Früh am Morgen – sein Pferd hatte er im Stall hinter dem Gasthof zur Obhut zurückgelassen – brach er zu Fuß nach Westen auf. Er erklomm eine langgezogene Anhöhe sandigen Ödlands voller Steine und Felsbrocken, wo nur Disteln und Bittergras wuchsen. Oben angekommen, blickte er über ein breites Tal. Nach Westen und Norden hin türmten sich, immer höher ansteigend, die Klippen und Grate des mächtigen Teach tac Teach, der den Zugang zu den Ulflanden versperrte. Direkt unter ihm fiel der Pfad über Traversen zum Grunde des Tals hin ab, und dort floß der Siss, der in den Troaghs hinter dem Kap des Wiedersehens entsprang und in den Süßen Yallow mündete. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tals glaubte er Swer Smod auszumachen, hoch auf den Flanken des Gaboon-Berges, aber die Umrisse und Schatten täuschten das Auge, und so konnte er nicht sicher sein, ob er sich nicht irrte.
Er machte sich auf den Weg nach unten. Leichtfüßig rennend, springend
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