Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
starrte. Dann setzte er sich. Eine Inschrift auf der gegenüber liegenden Wand erregte seine Aufmerksamkeit: »Neuankömmling! Willkommen in unserer Bruderschaft!«
Aillas knurrte und blickte woandershin. So begann die Zeit seiner Gefangenschaft.
12
König Casmir sandte einen Boten nach Tintzin Fyral. Nach geraumer Zeit kehrte dieser zurück mit einer beinernen Röhre, aus welcher der Oberste Herold eine Pergamentrolle zog. Er las sie König Casmir vor:
Edler Herr!
Nehmt wie immer meinen respektvollen Gruß entgegen! Ich bin erfreut ob der Kunde von Eurem bevorstehenden Besuch. Seid versichert, daß unser Empfang Eurer Königlichen Person und Eurem Gefolge angemessen sein wird. Letzteres, so schlage ich vor, sollte die Zahl von zehn Personen dabei nicht übersteigen, gebricht es uns doch hier auf Tintzin Fyral an der verschwenderischen Geräumigkeit Haidions.
Mit meinem herzlichsten Gruße!
Faude Carfilhiot,
Evandertal,
der Herzog
König Casmir brach mit einem Gefolge von zwanzig Rittern, zehn Knechten und drei Wagen sofort nach Norden auf.
In der ersten Nacht rastete die Schar vor Twannic, Herzog Baldreds Burg. Am zweiten Tag ritten sie weiter nordwärts durch den Troagh, ein Labyrinth aus Felsspitzen und Hohlwegen. Am dritten Tag überschritten sie die Grenze nach Süd-Ulfland. Am späten Nachmittag, an den Toren des Zerberus, verengten sich die Felswände zu einer schmalen Schlucht, die von der Festung Kaul Bocach beherrscht wurde. Die Garnison bestand aus einem Dutzend zerlumpter Soldaten und einem Kommandanten, der das Banditentum weniger einträglich fand, als Reisenden Wegzoll abzupressen.
Auf den Anruf des Wachtpostens hielt die Kavalkade aus Lyonesse an, während die Soldaten der Garnison blinzelnd und finster unter ihren stählernen Helmen hervorblickend, auf der Brustwehr auftauchten.
Der Ritter Sir Welty ritt vor.
»Halt!« rief der Kommandant. »Nennt eure Namen, eure Herkunft sowie Ziel und Zweck eurer Reise, damit wir den rechten Wegzoll schätzen und festlegen können.«
»Wir sind Edelleute im Dienste von König Casmir von Lyonesse. Wir reiten nach Tintzin Fyral, auf Einladung des Herzogs vom Evandertal, und wir sind vom Wegzoll befreit!«
»Niemand ist vom Wegzoll befreit, außer König Oriante und der große Gott Mithra. Ihr müßt zehn Silberdukaten bezahlen.«
Sir Welty ritt zurück und beriet sich mit Casmir, der nachdenklich die Festung taxierte. »Zahlt!« sprach König Casmir. »Wir werden uns diese Wegelagerer auf dem Rückweg vornehmen.«
Sir Welty ritt zu der Festung zurück und warf dem Kommandanten mit verächtlichem Blick einen Beutel Münzen zu.
»Passiert, Edelmänner!«
In Zweierreihen ritt die Kavalkade an Kaul Bocach vorbei und rastete in jener Nacht auf einer Wiese an der südlichen Gabelung des Evanderflusses.
Am Mittag des darauffolgenden Tages hielt der Trupp vor Tintzin Fyral an. Die Burg erhob sich auf einer schroffen Felsspitze, so als sei sie aus dem Felsen selbst hervorgewachsen.
König Casmir und acht seiner Ritter sprengten vor. Die anderen bogen ab und schlugen ihr Lager am Evanderfluß auf.
Ein Herold kam ihnen von der Burg entgegengeritten und hielt vor König Casmir an. »Herr, ich bringe Euch Herzog Carfilhiots Willkommensgruß und seine Bitte, mir zu folgen. Wir reiten einen krummen Weg längs der Flanke des Berges hinan, aber seid unbesorgt, gefährlich ist er nur für unsere Feinde. Ich werde voranreiten.«
Als der Trupp sich der Burg näherte, wehte ihm der Wind den Geruch von Aas entgegen. In mittlerer Entfernung von ihnen floß der Evander durch eine grüne Wiese, auf der zwanzig Pfähle in einer langen Reihe nebeneinanderstanden, auf welchen Leichen aufgespießt staken.
»Ein nicht sehr freundlicher Anblick zur Begrüßung«, sagte König Casmir zu dem Herold.
»Herr, er gemahnt des Herzogs Widersacher, daß seine Geduld nicht unerschöpflich ist.«
König Casmir zuckte die Achseln, weniger angewidert von Carfilhiots Handeln denn von dem Gestank.
Am Fuße der Felsspitze wartete eine Ehrengarde von vier Rittern in Galarüstung, und Casmir grübelte darüber nach, woher Carfilhiot so exakt die Stunde seiner Ankunft wissen mochte. Ein Signal von Kaul Bocach? Spitzel auf Haidion? Casmir, dem es nie geglückt war, Spione auf Tintzin Fyral einzuschleusen, zog bei dem Gedanken mißmutig die Stirn kraus.
Die Kavalkade erklomm die Felsspitze über einen in den Fels gehauenen Pfad, der schließlich hoch oben unter einem Fallgatter
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