Lyonesse 2 - Die grüne Perle
zur Skyre fließt, und Godelia breitet sich vor Euch aus wie ein übler Geruch. Das ist die sechste Information.« Cwyd machte eine Geste, die besagen sollte, daß er alles erzählt hatte, was er wußte, und stand bescheiden lächelnd da, als warte er auf weiteren Beifall von Aillas.
Aillas sagte: »Wahrlich, Cwyd, mein lieber Freund, Eure Informationen sind äußerst hilfreich. Habt Ihr noch weitere?«
Bekümmert fragte Cwyd: »Habe ich nicht genug erzählt?«
»Das habt Ihr, aber Ihr habt nicht vielleicht drei oder vier weitere Informationen zurückgehalten für den Fall, daß ich mich als undankbar für die ersten sechs erweisen sollte?«
»Nein. Ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß.«
»Dann nehmt diese Goldkrone zum Lohn, und Ihr sollt ferner wissen, daß ich diesen Abend mit Euch genossen habe. Und noch eines: Ich bin gut bekannt mit dem Magier Shimrod und ebenso mit dem König von Süd-Ulfland und Troicinet. Sollte der Zufall Euch jemals mit diesen Personen zusammenführen, braucht Ihr bloß meinen Namen zu erwähnen, und Eure Bedürfnisse werden erfüllt werden.«
»Herr, ich bedaure, daß Ihr scheidet – so sehr, daß ich Euch noch einen Tag und eine Nacht zu einem Dreiviertel des üblichen Preises anbiete!«
»Sehr großherzig!« erwiderte Aillas. »Aber wir können nicht länger säumen.«
»Dann wünsche ich Euch viel Glück für Eure Reise.«
II
Aillas und Tatzel ritten fort von der Kate von Cwyd und Threlka. Tatzel trug jetzt eine Bauernbluse und Bauernhosen, beides aus hafermehlfarbenem groben Wollstoff geschneidert. Sie hatte gebadet; die frischen Kleider und die Heilung ihres Beines hatten sie in eine fast heitere Stimmung versetzt, die lediglich getrübt wurde durch die Gegenwart des abscheulichen Aillas, der nach wie vor so tat, als betrachte er sich als ihr Herr ... Sein Verhalten war verwirrend. Auf Sank hatte er sie nach seinem eigenen Eingeständnis verehrt und bewundert, doch nun, hier draußen auf diesem einsamen Moor, wo er mit ihr hätte machen können, was er wollte, verhielt er sich gehemmt und befangen, als stünde er unter einem selbstauferlegten Zwang – vielleicht die natürliche Ehrerbietung eines Haussklaven gegenüber einer Ska-Dame von hoher Geburt?
Tatzel studierte Aillas verstohlen. Für einen Anderling war er erstaunlich gutaussehend, und ihr war bereits aufgefallen, daß er recht reinlich zu sein schien. Gestern abend, als sie seinem Gespräch mit Cwyd gelauscht hatte, war sie überrascht gewesen, welche Zungenfertigkeit und Sprachgewandtheit dieser einstige Haussklave an den Tag gelegt hatte. Sie erinnerte sich an seinen Kampf mit Torqual; er hatte diesen allenthalben gefürchteten Ska-Recken mit nachgerade gelassenem Selbstvertrauen angegriffen, und am Ende war es Torqual gewesen, der zurückgewichen war.
Tatzel entschied, daß Aillas sich nicht als einen Haussklaven betrachtete. Aus welchem Grund hatte er sich dann so zurückgehalten, selbst dann noch, als sie, aus reiner Launenhaftigkeit und Lust am Probieren heraus, versucht hatte, ihn zu erregen? Natürlich nur zu einem ganz geringfügigen Grad, tastend, und jederzeit kontrolliert; trotzdem hatte er sie ignoriert.
Lag es vielleicht an ihrer Person? Roch sie schlecht? Tatzel schüttelte verwirrt den Kopf. Die Welt war ein seltsamer Ort. Sie ließ den Blick über die Landschaft schweifen. Nach dem nächtlichen Unwetter war der Tag klar und frisch; nur ein paar vereinzelte Wölkchen verloren sich am blauen Himmel. Vor ihnen schien sich das Moor in Luft aufzulösen, teils aufgrund des Dunstes, teils wegen der Cam-Terrassen, an denen das Moorland abrupt endete.
Bei Sonnenuntergang – die Cam-Terrassen waren nur noch eine Meile entfernt – schlug Aillas das Nachtlager auf. Am Morgen wartete er, bis die Sonne eine halbe Stunde Zeit gehabt hatte, den Himmel zu erklimmen, bevor er nach Norden aufbrach. Schon nach kurzer Zeit kamen sie an den Rand des Abhangs. Weit dehnte sich das Land unter ihnen. In der Ferne, am Fuße der Terrassen, erstreckte sich der Quyvern-See.
Ein schwach erkennbarer Pfad verlief am Ufer eines Baches, der zur ersten Stufe hinunterstürzte. Nach wenigen hundert Schritten mündete der Bach in eine steilwandige Schlucht, und der Pfad, der offenbar von umherstreifendem Vieh getrampelt worden war, verschwand.
Aillas und Tatzel saßen ab und bahnten sich zu Fuß einen Weg nach unten, und nach gehöriger Frist erreichten sie die erste Terrasse: eine lauschige Wiese von ungefähr einer
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