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Lyonesse 2 - Die grüne Perle

Titel: Lyonesse 2 - Die grüne Perle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Türmchen und Kuppeln sowie einem Dutzend anderer verspielter Narrheiten und kunstvoller Schnörkel, die offenbar aus schierer Langeweile hinzugefügt worden waren. Nach Glyneths Geschmack war der Stil recht verschroben, wo nicht gar überspannt, wenngleich sie eingestehen mußte, daß hier draußen, in dieser schier endlosen und eintönigen Ebene ein Geschmack so schlüssig und folgerichtig wie der andere sein mochte; sie richtete sich auf und setzte sich gerade, um in den Augen möglicher Beobachter keinen nachlässigen oder gar schlampigen Eindruck zu machen.
    Als sie an dem Haus vorbeifuhren, schwang ein Tor auf, und heraus sprengte ein Ritter in einer schimmernden Rüstung aus schwarzem und braunem Metall, mit einem kunstvoll gearbeiteten, hohen Helm, den ein mächtiger Kamm aus Ruten, Scheiben und Stacheln krönte. Der Ritter ritt eine Kreatur, die an einen schwarzen Tiger erinnerte, mit einer Reihe scharfer Hörner auf der Stirn, und er trug eine hohe Lanze, an der ein purpurnes Banner flatterte, das ein Emblem aus Dunkelrot, Silber und Blau trug.
    Der Ritter blieb in einem Abstand von hundert Fuß vor ihnen stehen, und Kul hielt höflich den Wole an. Der Ritter rief: »Wer seid Ihr, die Ihr mein Territorium ohne Genehmigung überquert?«
    Glyneth rief zurück: »Wir sind Fremde in diesem Land, Herr Ritter, und niemand hat uns über Eure Herrschaft unterrichtet. Wollt Ihr daher so freundlich sein, uns die Passage durch Euer Reich zu gestatten?«
    »Das ist gut und freundlich gesprochen«, sagte der Ritter. »Ich wäre geneigt, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, müßte ich nicht befürchten, daß dann andere, die weniger höflich sind als Ihr, sich ermuntert fühlen könnten, meinen Boden widerrechtlich zu betreten.«
    Glyneth erklärte: »Herr, unsere Lippen sind verschlossen wie mit eisernen Riegeln! Niemals werden wir Eure Nachsicht herausplaudern; unsere Schilderungen werden allein den Glanz und die Pracht Eurer Erscheinung und die Zuvorkommenheit Eures Verhaltens preisen. Mit den besten Empfehlungen an Euch und die, die Euch teuer sind, werden wir uns nunmehr hastig von Eurem Lande entfernen.«
    »Nicht so schnell! Habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Ihr steht unter Arrest. Steigt ab und begebt Euch zum Einsamen Haus!«
    Kul richtete sich auf und schrie: »Narr! Kehr in dein Haus zurück, so dir dein Leben teuer ist!«
    Der Ritter senkte seine Lanze. Kul sprang, zu Glyneths Entsetzen, von dem Wole. Sie schrie: »Kul, steig rasch wieder auf! Wir werden fliehen, und wenn er will, kann er uns ja jagen!«
    »Sein Reittier ist zu schnell für den Wole«, sagte Vishbume. »Gib mir das Rohr, das ihr mir abgenommen habt, und ich werde eine Feuermilbe nach ihm blasen. Nein! Noch besser! In meinem Ranzen ist ein winziger Spiegel; gib ihn mir!«
    Glyneth fand den Spiegel und reichte ihn Vishbume. Der Ritter richtete seine Lanze auf Kul, und der dreihörnige schwarze Tiger sprang vorwärts. Vishbume machte eine wischende Handbewegung; der Spiegel dehnte sich aus und reflektierte den Ritter und sein Reittier. Vishbume haschte den Spiegel blitzschnell weg; der Ritter und sein Spiegelbild krachten ineinander; beide Lanzen zerbrachen, und beide Ritter flogen in hohem Bogen aus dem Sattel. Sie sprangen auf, zückten ihre Schwerter und hackten aufeinander ein, während die Tiger-Rosse sich in einem fauchenden und brüllenden Knäuel am Boden wälzten.
    Kul sprang schnell wieder an Bord, und der Wole setzte seine Fahrt fort, während hinter ihnen der Kampf weiter tobte.
    Glyneth ging zu Vishbume. »Das war gute Arbeit und wird nicht unberücksichtigt bleiben, wenn am Schluß abgerechnet wird. Doch nun gib mir den Spiegel zurück.«
    »Besser, weit besser ist's, er bleibt bei mir«, erwiderte Vishbume. »So kann ich im Notfall rasch handeln.«
    Glyneth fragte mit beißender Stimme: »Erinnerst du dich an Kuls Mahnung? Er war erpicht darauf, gegen den Ritter zu kämpfen; du hast ihn um diesen Kampf gebracht, und nun ist er vielleicht gereizt.«
    »Aaaach, dieses scheußliche Untier!« knurrte Vishbume leise und händigte Glyneth widerwillig den Spiegel aus.
    Die Zeit verging; Meile um Meile schmolz dahin. Glyneth versuchte, sich durch die Berechnungen in Twittens Almanach hindurchzuarbeiten, aber ohne Erfolg. Vishbume weigerte sich, sie zu unterweisen; erst, so erklärte er, müsse sie zwei Geheimsprachen und ein exotisches System der Mathematik lernen, welche alle drei ihre eigene Form der graphischen Darstellung hätten.

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