Lyonesse 2 - Die grüne Perle
soll er am Spieß brutzeln.« In einer Aufwallung von Großzügigkeit fügte er hinzu: »Vielleicht habt Ihr Lust, zusammen mit anderen aus Eurem Hause Fian Gosse einen Besuch abzustatten und mit uns zu schmausen. Dieser seltsame Vorfall könnte damit vielleicht zum guten Schluß genau das Gegenteil davon bewirken, was zu bewirken er in Szene gesetzt ward.«
»Was meint Ihr damit?«
»Erinnert Ihr Euch an den selbsternannten Sir Shalles von Dahaut, der so eindeutig ein Agent Lyonesses war, wie man es nur sein kann?«
»Ich erinnere mich an ihn. Die Verbindung zu König Casmir ist indes nicht gar so klar, wie Ihr sie hinstellt.«
»Es ist natürlich reine Vermutung. Ebenfalls eine Vermutung ist es, daß Shalles nicht der einzige Spion war, der hier sein Unwesen trieb.«
Lord Loftus zog verwirrt die Braue hoch. »Ich werde eine sorgfältige Untersuchung durchführen. Vielen Dank für Eure Einladung, aber unter diesen Umständen, da noch immer der Verdacht über meinem Haupt schwebt, muß ich, so fürchte ich, ablehnen.«
»Sir Loftus, ich würde alles, was ich habe, darauf wetten, daß Ihr in dieser mysteriösen Angelegenheit absolut frei von jeder Schuld seid. Ich wiederhole meine Einladung: Möge der schimpfliche Tod des armen Schwarzen Butz wenigstens einen guten Zweck für unseren beiden Häuser erfüllen.«
Sir Loftus war für seine Sturheit berühmt; er betrachtete sein Wort, einmal gesprochen, als fest und unwiderruflich, so daß man ihn niemals der Wankelmütigkeit zeihen könne. »Bitte entschuldigt, Sir Bodwy, aber ich werde mich unwohl fühlen, solange diese Sache nicht voll aufgeklärt ist.«
Lord Bodwy kehrte nach Fian Gosse zurück. Fünf Tage vergingen; dann kam ein Bauernbursche mit unheilvollen Nachrichten zu Lord Bodwy gestürzt. Vierzehn von Lord Loftus' feinsten Rindern, so sprudelte der Bursche atemlos hervor, seien bei Nacht gestohlen und südwärts getrieben worden. Bauern hätten die Diebe als Hirten von Fian Gosse identifiziert, zum einen anhand ihres verstohlenen Gebarens, zum andern, weil niemand sonst zu einer solchen Tat veranlagt sei.
Es sollte indes noch schlimmere Nachricht kommen. Slevan Wilding, Loftus' Neffe, war der Fährte ins Gosse-Land gefolgt. An einer Stätte mit Namen Eiserner Tor hatten drei Soldaten in Fian Gosse-Kleidung drei Pfeile abgefeuert. Dreifach durchbohrt, durch Hals, Herz und Auge, war Slevan Wilding tot darniedergesunken. Seine Kameraden stellten den Wegelagerern nach, aber diese waren schon auf und davon.
Als Lord Loftus von dem Hinterhalt erfuhr und die Pfeile besichtigte, reckte er die geballten Fäuste gen Himmel und sandte Reiter über die Moore und in abgelegene Bergschluchten, die Recken der Wilding-Sippe nach Burg Clarrie zu rufen. Königliches Gesetz hin, königliches Gesetz her – mit zornbebender Stimme gelobte er, den Tod von Slevan Wilding zu rächen und die zu bestrafen, die sein Vieh gestohlen hatten.
Lord Bodwy entsandte unverzüglich berittene Boten nach Doun Darric; sodann rüstete er Fian Gosse gegen den drohenden Angriff und die zu erwartende Belagerung.
Die Boten kamen zur Mittagszeit auf zuschanden gerittenen Pferden in Doun Darric an. Ein glücklicher Zufall wollte es, daß gerade ein Bataillon von zweihundert Reitern bereit stand, zur nord-ulfischen Grenze zu reiten, um dortselbst allgemeine Manöver abzuhalten; Aillas beorderte sie statt dessen sofort nach Fian Gosse.
Den ganzen Nachmittag hindurch ritt die Truppe in scharfem Galopp. Bei Sonnenuntergang legte sie eine einstündige Rast ein, um sodann beim Lichte des Vollmonds weiterzureiten: über das Bruden-Moor, dann am Ufer des Werling-Flusses entlang bis hinauf zum Totenmann-Moor und schließlich in einem Schwenk weiter Richtung Nordosten. Um Mitternacht kam böiger Wind auf, und der Mond verschwand hinter Wolken; da Gefahr bestand, in einen bodenlosen Sumpf zu geraten oder kopfüber in eine Wasserrinne zu stürzen, nahm der Trupp in einem Lärchengehölz Zuflucht und verbrachte den Rest der Nacht über stinkenden Feuern kauernd.
Im Morgengrauen ritt der Trupp trotz scharfen Windes und peitschender Regengüsse weiter. Mit wehenden Umhängen sprengten sie den Murdoch-Hügel hinauf und galoppierten unter tiefhängenden grauen Wolken in langgezogener Formation über die Heide. Zwei Stunden nach Mittag erreichten sie Fian Gosse – nur eine Stunde nach der Einschließung der Burg durch Lord Loftus und seine Stammesgenossen, hundert Mann an der Zahl. Einstweilen hatten sie
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