Lyonesse 2 - Die grüne Perle
sich außer Pfeilschußweite versammelt und waren damit beschäftigt, Leitern zu zimmern – welche hier besondere Wirkung versprachen, da die Mauern von Fian Gosse niedrig waren und die Verteidiger gering an Zahl. Lord Loftus hatte keinen Zweifel daran, daß die Burg beim ersten Ansturm fallen werde, den er beim Lichte des Mondes zu führen beschlossen hatte.
Das Erscheinen der königlichen Truppen und des Königs höchstselbst vereitelte diesen seinen Plan, und er erfuhr die Bitterkeit der völligen Niederlage. Wenn jetzt Blut fließen würde, dann würde der tiefste Strom Wilding-Blut sein. Was nun? so frug er sich. Rückzug? Kampf? Verhandeln? Was auch immer er wählte, er würde Erniedrigung für ihn sein.
In Trübsinn und Trotz stand Lord Loftus vor des Königs Truppen, den Helm in den Nacken zurückgeschoben, die Hände auf dem Knauf seines Schwertes, dessen Spitze im Gras zwischen seinen Füßen stak.
Ein Herold ritt nach vorn, saß mit schneidigem Schwung ab und trat vor Sir Loftus. »Sir Loftus: Ich spreche mit der Stimme von König Aillas. Er befiehlt Euch, Euer Schwert einzustecken, sodann vorzutreten und eine Erklärung für Eure Anwesenheit hier abzugeben. Welche Botschaft soll ich zu König Aillas tragen?«
Lord Loftus gab keine Antwort. Mit grimmer Wucht steckte er sein Schwert ein und stapfte vorwärts über den Heidegrund. Aillas saß von seinem Roß ab und wartete gelassen. Alle Augen – die der Wildings, die der Verteidiger Fian Gosses, die der königlichen Truppen – verfolgten gespannt jeden seiner Schritte.
Auf Fian Gosse hob sich quietschend das Fallgatter, und Lord Bodwy schritt, gefolgt von drei Lehnsmannen, hervor und näherte sich ebenfalls König Aillas.
Lord Loftus blieb zehn Fuß vor König Aillas stehen. Schweigend nahte Lord Bodwy von der Seite.
Mit kalter Stimme sprach König Aillas: »Übergebt Euer Schwert Sir Glyn, der dort drüben steht. Ihr steht unter Arrest, und ich bezichtige Euch der Verschwörung. Ihr plantet einen gesetzwidrigen Überfall und einen Akt blutiger Gewalt.«
Lord Loftus trat mit steinerner Miene sein Schwert ab.
König Aillas sagte: »Ich will hören, was Ihr zu Eurer Verteidigung vorzubringen habt.«
Zuerst sprach Lord Loftus, dann sprach Lord Bodwy, dann abermals Lord Loftus, dann wieder Lord Bodwy und schließlich Glannac; nun war alles gesagt.
Sodann sprach, mit einer Stimme, die eher verachtungsvoll als scharf klang, König Aillas: »Loftus, Ihr seid halsstarrig, übermäßig stolz und unbeugsam. Ihr scheint mir weder grausam noch böse, sondern lediglich hitzköpfig bis zum Grad der Torheit. Ist Euch klar, daß Ihr Euch glücklich schätzen könnt, daß ich rechtzeitig hier eintraf, ehe Blut floß? Wäre auch nur ein einziger Mensch zu Tode gekommen, hätte ich Euch des Mordes für schuldig gesprochen, Euch an Ort und Stelle gehenkt und Eure Burg geschleift.«
»Das Blut meines Neffen Slevan ist vergossen worden! Wer wird für dieses Verbrechen hängen?«
»Wer ist der Mörder?«
»Einer von den Gosse.«
»Niemals!« schrie Bodwy. »Ich bin doch kein Narr!«
»Genau«, pflichtete ihm Aillas bei. »Nur einer, der vor Eifer blind und töricht ist, so wie Ihr, Lord Loftus, durchschaut den Plan nicht, der hinter diesem Verbrechen steckt, welches allein den Zweck hatte, Euch gegeneinander aufzubringen und mir Kummer und Schwierigkeiten zu bereiten. Ihr habt mich in eine mißliche Lage gebracht, und ich muß eine heikle Gratwanderung zwischen Weisheit und blinder Gerechtigkeit machen, noch will ich Torheit um ihrerselbst willen bestrafen. Überdies bescheinigt Euch Lord Pirmence tadelloses Verhalten in Sachen Gefangenenbehandlung und Folter, was schwer zu Euren Gunsten wiegt. Also: Welche Versicherung könnt Ihr geben, daß Ihr nie wieder die Waffen erhebt, um Eure private Justiz zu betreiben, außer zur Selbstverteidigung oder im Dienste Eures Königs?«
»Und welche Versicherung«, schnaubte tief beleidigt Lord Loftus, »kann Bodwy geben, daß er mir kein Vieh mehr stehlen wird?«
Bodwy ließ ein lautes vergnügtes Lachen vernehmen. »Habt Ihr meinen Bullen gestohlen, den Schwarzen Butz?«
»Nein – und nie würde ich dergleichen je tun.«
»Und ebensowenig würde ich je Vieh von Eurer Herde stehlen.«
Loftus warf einen wütenden Blick zu den Hügeln. »Ihr behauptet also, das alles sei ein Schelmenstreich?«
»Schlimmer, weit schlimmer!« erklärte Lord Bodwy. »Jemand plante, daß Ihr Fian Gosse belagern und überrennen solltet, um
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