Lyonesse 3 - Madouc
Spielzeugkatafalks lüften, um zu schauen, was sich darinnen verbirgt?«
»Ich nicht«, sagte Galgus.
»Berühre das Ding ja nicht«, sagte Izmael, der Hunne, zu Este. »Du wirst einen Fluch über uns alle bringen.«
»Mitnichten«, widersprach Este. »Es ist ganz klar ein makabrer Scherz in Form einer Juwelenschachtel, worin sich womöglich Saphire und Smaragde in Hülle und Fülle verbergen.«
Diese Bemerkung weckte Kegans Interesse. »Das ist ein Gedanke, der nicht so leicht von der Hand zu weisen ist. Vielleicht wage ich mal einen raschen Blick, nur zur Vergewisserung.«
Galgus schaute zu Travec. »Und was sagst du diesmal zu dir selbst, Travec?«
»Ich murmele meinen Zauberspruch gegen Todesmagie«, sagte Travec.
»Ah, pah, Schnickschnack! Trau dich, Kegan! Nur einen kurzen Blick; das kann doch gewiß nichts schaden!«
Mit seinem langen gelben Daumennagel hob Kegan den Specksteindeckel an. Er neigte den Kopf so tief, daß seine dünne Hakennase fast in den Spalt hineinragte, und äugte hinein. Dann zog er langsam den Kopf zurück und schloß den Deckel wieder.
»Nun denn, Kegan!« rief Cory. »Spann uns nicht auf die Folter! Was hast du gesehen?«
»Nichts.«
»Warum dann dieses ganze Drama?«
»Es ist ein feines Spielzeug«, sagte Kegan. »Ich werde es als Andenken mitnehmen.«
Cory schaute ihn verwundert an. »Ganz wie du möchtest.«
Am Mittag des darauffolgenden Tages brachen die beiden Gruppen von der Neep-Wiese auf und ritten die Dagachschlucht hinunter. An der Stelle, wo die Schlucht sich zum Niedermoor hin öffnete, trennten sich die Gruppen. Cory, seine fünf Schurken und der Späher, ein bleicher, verschlagen dreinblickender junger Bursche namens Idis, wandten sich nach Nordwesten, um ihren Hinterhalt zu legen. Torqual und seine fünfunddreißig Spießgesellen ritten weiter nach Westen, zur Stadt Willow Wyngate. Zwei Stunden warteten sie im Schutz eines Waldes, und sobald der Abend dämmerte, setzten sie ihren Weg fort: über die Niedermoore und in das Tal des Flusses Wirl.
Die Truppe ritt in sorgfältig bemessenem Tempo, so daß sie just beim ersten Licht des Morgengrauens den Park erreichte, der Burg Willow umgab, und den imposanten, beiderseits von Pappeln gesäumten Zufahrtsweg entlangritt.
Kurz hinter einer Wegbiegung hielt die Truppe bestürzt an. Ein Dutzend Ritter auf Schlachtrössern versperrte mit gesenkten Lanzen den Weg.
Die Ritter stürmten vorwärts. Die Banditen machten kehrt, um die Flucht zu ergreifen, aber ein gleichstarker Trupp von Rittern versperrte ihnen den Rückweg. Zugleich traten hinter den Pappeln Bogenschützen hervor und feuerten Salve um Salve in den schreienden Haufen. Torqual brach geistesgegenwärtig seitwärts durch eine Lücke in den Pappeln und galoppierte, tief geduckt im Sattel kauernd, wie ein Rasender in wilder Flucht davon. Sir Minch, der die Truppe befehligte, sandte zehn Mann hinter ihm her, mit dem Befehl, Torqual, wenn nötig, bis ans Ende der Welt zu verfolgen. Die wenigen Gesetzlosen, die das Gemetzel überlebt hatten, verurteilte er zum Tod an Ort und Stelle, um sich die Mühe des Aufhängens zu ersparen. Schwerter wurden erhoben; Schwerter fielen; Köpfe rollten, und Torquals Truppe und seine Träume von der Weltherrschaft wurden gleichzeitig zunichte gemacht.
Die zehn Ritter setzten Torqual bis in die Dagachschlucht nach, wo er Felsbrocken auf sie hinunterrollte und zwei von ihnen tötete. Als die anderen schließlich auf der Neep-Wiese ankamen, fanden sie nur die Dienstweiber und ein paar kleine Kinder vor. Torqual und Melancthe waren bereits auf geheimen Pfaden zu den Hochmooren und den Schluchten auf der Rückseite des Berges Sobh geflohen. Sie jetzt noch weiter zu verfolgen, war sinnlos, auch wenn der Berg Sobh beileibe noch nicht das Ende der Welt war.
5
In der Stadt Lyonesse war alles in hektischem Fluß: Der dreitägige Staatsbesuch von König Milo, Königin Caudabil und Prinz Brezante stand ins Haus, und König Casmir hatte kurzfristig verfügt, daß zu ihren Ehren ein Fest durchgeführt werde.
Die Idee zu diesem Fest war dem König gekommen, nachdem seine Hoffnungen, Madouc nutzbringend zu vermählen, so jählings zerstoben waren. Seine Begeisterung für den Besuch hatte sich abgekühlt, und besonders zuwider war ihm die Vorstellung, seine Gäste drei volle Tage lang mit einer Serie von ausgedehnten, kostspieligen Banketten zu beköstigen, bei denen König Milo, ein an allen Höfen gefürchteter Schlemmer, und Königin
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