Lyonesse 3 - Madouc
bedürfte?«
»Das Risiko müssen wir eingehen«, sagte König Throbius. Er trat einen Schritt vor, bewegte hurtig die Finger über Madoucs Haupt, als streue er eine unsichtbare Substanz darauf, murmelte einen Kantrap von neunzehn Silben, berührte ihr Kinn und trat wieder zurück. »Der Blendzauber ist nun geworfen. Willst du seine Wirkung entfachen, ziehe mit den Fingern deiner rechten Hand an deinem linken Ohr. Willst du ihn außer Kraft zu setzen, zupfe mit den Fingern deiner linken Hand an deinem rechten Ohr.«
Madouc fragte eifrig: »Soll ich es einmal probieren?«
»Wie du möchtest! Du wirst die Veränderung jedoch nur in Bezug auf ihre Wirkung auf andere wahrnehmen; du selbst wandelst dich nicht.«
»Dann will ich den Blendzauber nun einmal probehalber in seiner Wirkung überprüfen.« Madouc zupfte mit den Fingern der rechten Hand an ihrem linken Ohr und wandte sich Sir Pom-Pom und Travante zu. »Könnt ihr eine Veränderung feststellen?«
Sir Pom-Pom sog tief Luft ein und schien die Zähne aufeinanderzupressen. »Die Wandlung ist unübersehbar.«
Travante vollführte eine ungestüme, wenn auch beherrschte Geste. »Laßt mich den Wandel beschreiben. Ihr seid nun ein schlankes Mägdelein von vollkommener Gestalt. Eure Augen sind so blau wie das warme Sommermeer; sie sind sanft und gütig und blicken aus einem Antlitz von herber Süße heraus, einem Antlitz, welches klug ist und schelmisch und von nachgerade quälender Faszination. Weich schwingende, kupfergoldene Locken umrahmen dieses Antlitz; das Haar duftet nach dem Aroma von Zitronenblüten. Eure Gestalt reicht hin, um selbst den stärksten Mann schwach zu machen. Der Blendzauber ist höchst wirksam.«
Madouc zog mit den Fingern der linken Hand an ihrem rechten Ohr. »Bin ich jetzt wieder ich?«
»Ja«, sagte Sir Pom-Pom mit Bedauern. »Ihr seid wieder wie immer.«
Madouc stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Mit dem Blendzauber über mir fühle ich mich doch ziemlich auffällig.«
König Throbius lächelte. »Du mußt lernen, dieses Empfinden zu ignorieren, ist doch in deinem Fall der Blendzauber nicht mehr denn eine Widerspiegelung der nahen Zukunft.« Er wandte den Blick himmelwärts und gab ein Zeichen. Herunter flog ein kleiner grüner Faylet mit flordünnen Schwingen. König Throbius instruierte ihn: »Rufe deine Vettern zusammen und fliegt hierhin und dorthin, auf daß alle Kreaturen in der Umgebung, mit Ausnahme Fuluots, Carabaras, Gois' sowie des dreiköpfigen Throop, den Wortlaut des Dekrets erfahren, welches Bosnip dir jetzt vorlesen wird. Drei insbesondere müssen es hören: Sir Jaucinet von Wolkenburg, der Ackerknecht Nisby und das gesichtslose Wesen, das beim Mondschein draußen umherwandelt und einen breitkrempigen schwarzen Hut aufhat.«
Der Faylet flog davon. König Throbius entbot Madouc einen feierlichen Abschiedsgruß. »Ich bin sicher, unsere kleine List wird ihren Zweck erfüllen, ohne Fehler oder Schwierigkeit. Zu gehöriger Zeit ...« Ein plötzlicher Tumult auf der anderen Seite der Wiese erregte seine Aufmerksamkeit. Er sprach verblüfft: »Ist das möglich? Shemus und Womin, beidesamt Beamte von hohem Rang, liegen miteinander im Hader!«
König Throbius marschierte über die Wiese, so geschwind, daß die Winzkobolde, die seine Schleppe trugen, von den Füßen gerissen wurden und im hohen Bogen durch die Luft segelten.
König Throbius schritt zu einem Areal, auf welchem ein langer Tisch mit einer reichen Auswahl feiner Nahrungsmittel stand: Götterblut und Weine in kuriosen Glasflaschen; Backwerk, das mit Pollen von Löwenzahn, Butterblume und Krokus bestreut und mit schneckenhausförmigen Häubchen von Wolfsmilchsahne allerliebst verziert war; Torten von roter und schwarzer Johannisbeere; kandierte Holzäpfel und Gelees; kandierter Nektar von Zaunrose, Rose und Veilchen. Neben dem Tisch hatte sich ein Wortwechsel unversehens in ein Getümmel aus Schreien, Hieben und Flüchen verwandelt. Die streitenden Parteien waren Womin, seines Zeichens Königlicher Registrator von Rechtmäßigkeiten, und Shemus, der Königliche Ritualienverwalter. Shemus hatte mit einer Hand Womin beim Bart gepackt und haute ihm mit der anderen kraftvoll einen hölzernen Becher auf den Kopf, aus dem er zuvor Pastinakbier getrunken hatte.
König Throbius fragte barsch: »Was soll dieses gemeine Geprügel? Dieses Benehmen ist schimpflich an einem solchen Freudentag wie dem heutigen!«
Shemus schrie wutentbrannt: »Ich würde Euch da in
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