Lyonesse 3 - Madouc
eine Redensart, nicht mehr.«
Madouc fuhr unsicher mit ihrer Arbeit fort. Sie hielt erneut inne. »Es ist wohlbekannt, daß Elfen niemals geben, ohne zu nehmen. Gilt das gleiche auch für Wefkine?«
»Bah! Bei großen Transaktionen mag das vielleicht der Fall sein. Wefkine sind kein habsüchtiges Volk.«
Madouc glaubte zu spüren, daß der Wefkin ihr auswich. »Sag mir, was muß ich für deinen Rat bezahlen?«
Der Wefkin zupfte an seiner Mütze und kicherte, wie als sei er verlegen. »Ich werde nichts Bedeutendes annehmen. Weder Silber noch Gold noch andere kostbare Metalle. Ich bin glücklich, wenn ich jemandem, der so aufgeweckt und hübsch ist, eine kleine Gefälligkeit erweisen kann. Noch glücklicher freilich wäre ich, wenn du mich aus Dankbarkeit auf meine Nasenspitze küßtest; damit wäre unsere kleine Rechnung vollauf beglichen. Abgemacht?«
Madouc beäugte mißtrauisch den Wefkin und seine lange spitze Nase, wobei der Wefkin alberne und belanglose kleine Gesten vollführte. Madouc sagte: »Ich werde darüber mit mir zu Rate gehen. Ich küsse selten Fremdlinge, ob auf die Nase oder sonstwohin.«
Der Wefkin machte einen Schmollmund und zog ruckartig die Knie unter das Kinn. Gleich darauf verfiel er wieder in sein schmeichlerisches Gehabe. »Du bist in dieser Hinsicht anders als deine Mutter. Nun, egal. Ich dachte nur – aber egal. Hast du deine Grasflöte fertig? Gut gemacht. Nun blase sanft, in freundlicher Manier – ah! Das ist gut. Halte nun inne und lausche meinen Anweisungen. Um deine Mutter herbeizurufen, mußt du in die Flöte blasen und diese Weise singen:
›Lirra lissa larra lass
Ich blase sanft auf diesem Gras.
Ich blase leise tirili
Und rufe Twisk in Thripsey Shee.
Lirra lissa larra piep
Madouc ruft ihre Mutter lieb!
Flieg auf dem Wind und spring übers Meer;
Und eile geschwinde zu mir her.
So singe ich, Madouc!‹«
Madouc probte den Text einmal schüchtern, dann holte sie tief Luft, um ihre Nerven zu beruhigen, blies einen leisen Ton auf der Grasflöte und sang den Vers, den der Wefkin sie gelehrt hatte.
Nichts geschah. Madouc schaute hierhin und dorthin und sprach dann zu dem Wefkin: »Habe ich die Formel richtig hergesagt?«
Eine leise Stimme antwortete hinter dem Fingerhut: »Du hast den Spruch gut gesprochen.« Hinter dem Fingerhut hervor trat das Elfenmädchen Twisk: eine biegsame Kreatur mit einem prachtvollen Schopf hellblauen Haars, der von einem Band aus Saphiren zusammengehalten wurde.
Madouc rief in ehrfurchtsvoller Entzückung: »Bist du wahrhaftig meine Mutter?«
»Eins nach dem andern«, sagte Twisk. »Zunächst: Welche Form der Entlohnung hast du mit Zocco für seine Dienste vereinbart?«
»Er wollte, daß ich seine Nase küsse, worauf ich erwiderte, daß ich darüber zu Rate gehen würde.«
»Ganz recht!« erklärte Zocco, der Wefkin. »Zu gehöriger Zeit werde ich den rechten Rat geben, und damit basta! Wir brauchen das Thema nicht weiter zu erörtern.«
»Da ich ihre Mutter bin, werde ich den Rat liefern und dir so die Mühe ersparen«, sagte Twisk.
»Das ist keine Mühe für mich! Ich bin flink und rege im Denken!«
Twisk beachtete ihn nicht. »Madouc, dies ist mein Rat: Hebe jenen Klumpen Dreck dort auf und reiche ihn dem glupschäugigen kleinen Kobold dar mit den Worten: ›Zocco, mit diesem Entgelt entlohne und entschädige ich dich voll und ganz, jetzt und für alle Zeiten, ein und für allemal, in dieser Welt und in allen anderen und in jeder anderen denkbaren Hinsicht für jeden und jedweden Dienst, den du für mich oder in meinem Namen, real oder imaginär, wo, wann und wie auch immer geleistet hast.‹«
»Schieres Gefasel und dummes Zeug!« höhnte Zocco. »Madouc, hör nicht auf das närrische Gewäsch dieser törichten blauhaarigen Ränkeschmiedin; du und ich, wir haben unsere eigene Abmachung, wie du weißt.«
Twisk trat langsam vor, und Madouc konnte sie nun klar sehen: ein liebreizendes Geschöpf mit sahnefarbener Haut und Zügen von unübertrefflicher Zartheit. Ihre Augen waren wie die Madoucs wundervolle, verträumte himmelblaue Teiche, beim Anblick derselben ein anfälliger Menschenmann leicht den Verstand verlieren konnte. Twisk sprach zu Madouc: »Ich möchte beiläufig bemerken, daß Zocco berüchtigt ist für sein liederliches Betragen. Wenn du seine Nase küßt, bist du fortan in seine Dienste gezwungen und mußt ihn auf sein Geheiß hin bald schon woanders küssen, und wer weiß was sonst noch!«
»Das ist
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