Lyonesse 3 - Madouc
und tollt herum; sie hüpft auf einem Bein wie ein Vogel. Ich frage: ›Wollt Ihr so beim Großen Ball tanzen?‹ Und sie erwidert: ›Ich bin keine Anhängerin dieses albernen Umherstolzierens. Ich bezweifle, daß ich dort zugegen sein werde.‹«
Lady Desdea murmelte eine Verwünschung und verließ das Konservatorium. Sie ging nach draußen und hielt Ausschau nach der Prinzessin. Und just als ihr Blick über die Terrasse glitt, sah sie Madouc auf einem Ponywagen, gezogen von Tyfer, über den Rasen entschwinden.
Lady Desdea stieß einen Schrei der Entrüstung aus und befahl einem Lakaien, unverzüglich hinter dem Ponywagen herzureiten und die pflichtvergessene Prinzessin zurückzuholen.
Ein paar Minuten später kehrte der Ponywagen zurück, auf dem Bock eine beschämt dreinblickende Prinzessin.
»Seid so gut und steigt ab«, sagte Lady Desdea.
Mit mürrischer Miene sprang Madouc von dem Karren.
»Nun, Eure Hoheit? Hatte ich Euch nicht ausdrücklich verboten, Euer Pferd zu benutzen oder Euch den Stallungen zu nähern?«
»Das habt Ihr nicht gesagt!« schrie Madouc. »Ihr sagtet, ich dürfe nicht auf Tyfer reiten, und das tue ich ja nicht! Und auch Euer zweites Verbot habe ich getreu befolgt. Ich habe mich den Stallungen keineswegs genähert. Ich schickte nach dem Stallburschen Pymfyd und bat ihn, mir den Wagen zu bringen.«
Lady Desdea starrte sie mit bebenden Lippen an. »Nun gut! Dann werde ich das Verbot neu fassen. Ihr dürft künftig weder Euer Pferd noch irgendein anderes Pferd noch sonst ein zum Reiten oder zum Ziehen von Karren geeignetes Tier, gleich ob Kuh, Ziege, Schaf, Hund oder Ochse, noch irgendein anderes Transportmittel oder Fahrzeug, gleich ob Karren, Kutsche, Wagen, Boot, Schlitten, Tragsessel oder Sänfte, benutzen. Damit dürfte der Umfang des Befehls der Königin exakt umrissen sein. Zweitens: indem Ihr versuchtet, den Befehl der Königin zu unterlaufen, habt Ihr zugleich auch Eure Lektionen mutwillig versäumt. Was habt Ihr dazu zu sagen?«
Madouc machte eine trotzige Geste. »Heute ist der Regen fort und die Sonne strahlt, und so zog ich es vor, an der frischen Luft zu sein, statt über Herodot oder Junifer Algo zu brüten oder Kalligraphie zu üben oder mir die Finger bei der Handarbeit zu zerstechen.«
Lady Desdea wandte sich ab. »Ich will mit Euch nicht über die Vorzüge fleißigen Lernens gegenüber trägem Müßiggang hadern. Was getan werden muß, werden wir tun.«
Drei Tage darauf erstattete Lady Desdea Königin Sollace sorgenvoll Bericht. »Ich tue mein Bestes bei Prinzessin Madouc, aber ich scheine nichts zu erreichen.«
»Du darfst dich nicht entmutigen lassen!« sagte die Königin.
Eine Zofe brachte eine Silberschale, auf der zwölf reife Feigen arrangiert waren. Sie stellte die Schale auf einen Hocker, der neben dem Ellenbogen der Königin stand. »Soll ich sie enthäuten, Eure Hoheit?«
»Bitte.«
Lady Desdeas Stimme wurde schriller. »Wäre es nicht despektierlich, würde ich sagen, daß Ihre Hoheit die Prinzessin eine rothaarige kleine Range ist, die nichts weiter braucht als eine anständige Tracht Prügel.«
»Sie ist zweifellos eine Heimsuchung. Doch fahre fort wie bisher und laß dir keinen Unsinn gefallen.« Königin Sollace kostete eine der Feigen und verdrehte entzückt die Augen. »Das nenne ich Vorzüglichkeit!«
»Da ist noch etwas«, sagte Lady Desdea. »Etwas sehr Seltsames, ja Beunruhigendes, das ich Euch zu Gehör bringen muß.«
Königin Sollace seufzte gequält und ließ sich in die Kissen ihres Diwans zurücksinken. »Kann ich von diesen verzwickten Verwicklungen nicht verschont werden? Manchmal, meine teure Ottile, und bei all deinen guten Absichten, wirst du mir doch sehr lästig.«
Lady Desdea hätte am liebsten losheulen mögen. »Was soll ich erst sagen! Ich bin schier verzweifelt! Was ich erlebt habe, übersteigt alles bisher Dagewesene!«
Königin Sollace nahm eine weitere reife Feige von der Zofe entgegen. »Wieso?«
»Ich will Euch alles exakt so schildern, wie es sich zutrug. Vor drei Tagen hatte ich wieder einmal Grund, Ihre Hoheit ob ihres Betragens zu rügen. Sie schien gleichgültig gegenüber meinen Vorwürfen – eher nachdenklich denn reuig. Als ich mich abwandte, durchpulste plötzlich eine außergewöhnliche Empfindung jede Faser meines Seins! Meine Haut prickelte und kribbelte, als wäre ich mit Nesselfieber geschlagen! Blaue Lichter blitzten und loderten vor meinen Augen! Meine Zähne begannen laut zu klappern, so
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