Lyonesse 3 - Madouc
widerfährt?«
»Das wird nicht geschehen.«
»Hat Euch Desmëi das gesagt?«
»Äußert bitte diesen Namen nicht.«
»Er muß ausgesprochen werden, da er ein Synonym für ›Verderben‹ ist. Euer Verderben, wenn Ihr Euch als ihr Werkzeug benützen laßt.«
Melancthe stand auf und ging ans Fenster.
Shimrod sprach zu ihrem Rücken: »Kommt noch einmal mit mir nach Trilda. Ich werde Euch gänzlich von dem grünen Gestank befreien. Wir werden der Hexe Desmëi einen Strich durch die Rechnung machen. Ihr werdet vollkommen frei und ganz und gar lebendig sein.«
Melancthe wandte sich zu Shimrod um. »Ich weiß nichts von irgendeinem grünen Gestank, und ich weiß nichts von Desmëi. Geht jetzt.«
Shimrod erhob sich. »Denkt heute nach über Euch und darüber, wie Ihr Euer Leben verbringen möchtet. Bei Sonnenuntergang werde ich wiederkehren, und vielleicht werdet Ihr ja mit mir kommen.«
Melancthe schien ihn nicht zu hören. Shimrod verließ den Raum und entfernte sich von der Villa.
Der Tag verging, Stunde für Stunde. Shimrod saß an seinem Tisch vor dem Gasthaus und schaute der Sonne zu, wie sie über den Himmel wanderte. Als sie nur noch knapp über dem Horizont stand, erhob er sich und ging den Strand hinauf. Wenig später erreichte er die weiße Villa. Er ging zur Vordertür und klopfte.
Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Die Dienstmagd Lillas spähte durch den Spalt.
»Guten Abend«, sagte Shimrod. »Ich möchte mit deiner Herrin sprechen.«
Lillas sah ihn mit großen Augen an. »Sie ist nicht hier.«
»Wo ist sie? Draußen am Strande?«
»Sie ist fortgegangen.«
»›Fortgegangen‹?« fragte Shimrod in scharfem Ton. »Wohin?«
»Wer weiß das schon?«
»Was ist ihr zugestoßen?«
»Vor einer Stunde klopfte es an der Tür, und ich öffnete. Es war Torqual, der Ska. Er ging an mir vorbei, durch die Halle und in den Salon. Die Herrin saß auf dem Diwan; sie sprang auf. Die beiden schauten sich einen Moment lang an, und ich beobachtete sie von der Tür aus. Er sprach ein einziges Wort: ›Komm!‹ Die Herrin rührte sich nicht von der Stelle, aber sie stand da, als sei sie unschlüssig. Torqual trat vor, faßte sie bei der Hand und führte sie durch die Halle und zur Vordertür hinaus. Sie erhob keinen Einwand; sie ging mit ihm hinaus wie eine Schlafwandlerin.«
Shimrod spürte, wie etwas seinen Magen zusammenschnürte. Lillas sprudelte heraus: »Auf dem Pfad standen zwei Rösser. Torqual hob meine Herrin in den Sattel des einen; er selbst stieg auf das andere. Sie ritten nach Norden davon. Und nun weiß ich nicht, was ich tun soll!«
Shimrod fand seine Stimme wieder. »Tu, was du immer tust; du hast keine anderen Anweisungen erhalten.«
»Das ist ein guter Rat!« sagte Lillas. »Vielleicht wird sie in Kürze wieder daheim sein.«
»Vielleicht.«
Shimrod kehrte zum Gasthof ›Zum Sonnenuntergang‹ zurück. Am nächsten Morgen begab er sich aufs neue zu der weißen Villa, fand jedoch nur Lillas auf dem Anwesen vor. »Du hast keine Nachricht von deiner Herrin erhalten?«
»Nein, Herr. Sie ist weit weg; das fühle ich in den Knochen.«
»Ich auch.« Shimrod bückte sich und hob einen Kieselstein vom Boden auf. Er rieb ihn zwischen den Fingern und überreichte ihn Lillas. »Sobald deine Herrin zurück ist, trage diesen Kiesel nach draußen, wirf ihn hoch in die Luft und rufe: ›Geh zu Shimrod!‹ Hast du verstanden?«
»Ja, Herr.«
»Was sollst du tun?«
»Ich soll den Kiesel in die Luft werfen und rufen: ›Geh zu Shimrod!‹«
»Richtig! Und hier ist ein Silbertaler; er soll dein Gedächtnis stützen.«
»Danke, Herr.«
5
Shimrod begab sich über die Berge zu der steinernen Fläche vor Swer Smod. Als er den Vorhof betrat, fand er die zwei Greife beim Morgenmahl sitzend; letzteres bestand aus zwei großen Rinderkeulen, vier gebratenen Hühnern, zwei Jungferkeln, zwei Lagen gebeizten Lachses, einem Rad weißen Käses und mehreren Laiben frischen Brotes. Beim Anblick Shimrods sprangen sie wutentbrannt vom Tisch auf und stürzten ihm entgegen, als wollten sie ihn in Stücke reißen.
Shimrod hob die Hand. »Mäßigt euch, wenn ich bitten darf! Hat Murgen euch nicht ein freundlicheres Benehmen befohlen?«
»Er lobte unsere Wachsamkeit«, erwiderte Vuwas. »Er riet uns lediglich zu etwas mehr Zurückhaltung gegenüber Personen von offenkundig gutem Charakter.«
»Du entsprichst nicht dieser Beschreibung«, sagte Vus. »Mithin müssen wir unsere Pflicht tun.«
»Halt! Ich bin
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