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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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etwas passieren kann.«
    Danny schwieg. Sunny war in der elften Woche.
    »Sie fürchtet, dass etwas nicht in Ordnung ist. Etwas, was die Ärzte nicht erkennen können.«
    Er ahnte es, hatte es die ganze Zeit über geahnt. Er kannte sich nicht gut aus mit dieser ganzen Sache. All die Schwangerschaftsbücher, die er sich vor wenigen Wochen so freudig besorgt hatte, gleich nachdem er davon erfahren hatte, beinhalteten keinerlei Informationen bezüglich der Art von Schwangerschaft, mit der er es hier zu tun haben würde. Und erst recht stand in diesen Büchern nichts von den Komplikationen, die eine Sherazade mit ihren Lügen heraufbeschwören konnte.
    Oh, dieses verdammte Telefonat mit seiner Mutter. Sunny hätte das Gespräch nie annehmen dürfen. All die Geschichten und Lügen, die wahr werden konnten, wenn man den Worten eines solchen Wesens lauschte. Nein, Danny durfte gar nicht daran denken, was ihnen noch alles bevorstehen mochte.
    Und doch war da ein Gefühl der Gewissheit. Er spürte es wie den Wind im Gesicht. Es hatte etwas mit der Lüge, die noch immer in Sunny lebte und atmete, zu tun. Mit diesem Seitensprung, dessen Zeuge sie gewesen war und den es niemals gegeben hatte.
    Danny rieb sich müde die Augen. »Kann ich sie sehen?«
    Stille.
    Okay, dann eben nicht.
    »Kann ich sie sprechen?«
    »Sie will ihre Ruhe haben.«
    »Weiß Sunny, dass du anrufst?«
    »Ja.«
    »Aber sie wollte es nicht.«
    »Doch. Sie hat mich darum gebeten.«
    Die ganze Zeit über hatte Danny geahnt, dass es so weit kommen würde. Er betrachtete den Mond und hätte ihn am liebsten verflucht.
    »Ich sollte dir das mit den Träumen sagen«, gestand Amber. Danny stellte sie sich vor; sie sah so aus, wie Sunny irgendwann aussehen würde, wäre sie Ende fünfzig.
    »Sonst nichts?«
    »Nein, sonst nichts.« Die Hartnäckigkeit hatte Sunny wohl von ihrer Mutter geerbt.
    Am liebsten hätte er das Telefon in den See geworfen. »Ist Sunny bei dir?«
    »Nein.«
    »Kannst du mir nicht sagen, wo...«
    Ein energisches »Nein« unterbrach ihn.
    Danny berührte die Gitarre, das glatte Holz, das ihm schon Trost gespendet hatte, als er noch ein Kind gewesen und in den kalten Mauern von Ravenscraig aufgewachsen war.
    »Sunny soll mich anrufen.« Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. »Bitte sag ihr das.« Er wollte mir ihr sprechen, ihre Stimme hören.
    »Ich sag's ihr.«
    »Amber!«
    »Ja?«
    »Es ist mir ernst. Sunny soll mich anrufen. Bitte!«
    Sie grummelte etwas.
    Dann verabschiedete sie sich. Das Gesprach war beendet.
    Es wurde wieder still.
    Danny rannte die enge Wendeltreppe hinab in den halbrunden Raum, der sein Arbeitszimmer war.
    Er schaltete den Computer ein und schaute seinen Fingern zu, wie sie ungeduldig auf den Tasten herumhämmerten, Suchbegriffe eingaben und das Internet nach allem durchforsteten, was mit schwerwiegenden Komplikationen bei Schwangerschaften und Krankheiten bei Kindern zu tun hatte. Er las Artikel über den Einfluss der Träume auf die Psyche von Kleinkindern, rief Bilder auf, scrollte sich durch vorgebliche Wahrheiten in den Esoterikforen der Welt.
    »huck 1 «, schimpfte er.
    Dann sprang er auf und trat den Papierkorb durch den Raum. Hielt inne.
    Müde rieb er sich die Augen, atmete durch.
    Dann hörte er das Telefon. Er hatte es oben auf dem leeren Liegestuhl liegen lassen.
    So schnell es ging, rannte er die Treppe hinauf, stürzte nach draußen, drückte den Knopf, »Hallo?«
    »Mr. Darcy?«
    Es war Kramer!
    »Haben Sie ihn erreicht?«
    »Der Zimmermann ist bereit, Sie zu treffen.«
    »Wann?«
    »Morgen.« Er nannte eine Uhrzeit.
    »Wo?«
    »Im Little Swan, oben bei Hibbing.« Kramer gab ihm eine kurze Beschreibung des Weges. »Was hat er gesagt?« Danny konnte sich die Frage nicht verkneifen. »Er ist neugierig.«
    Danny atmete erleichtert auf. »Danke«, sagte er und meinte es aufrichtig, »Seien Sie pünktlich«, antwortete Kramer. Dann legte er auf. Das war alles.
    Ein leichter Wind blies Danny Darcy die Haare ins Gesicht. Er trat an die Brüstung und schaute auf den See hinaus. Er würde den Zimmermann treffen, morgen schon. Mit einem Mal schien die Nacht kein ganz so dunkler Ort mehr zu Etwas mehr als eine Stunde später saß Danny in dem Schaukelstuhl, und die Sterne sahen ihm dabei zu.
    Müde zupfte er an der Gitarre herum, die er an sich drückte. Er spielte eine winzige Melodie, fragil und noch unfertig. Etwas, was er The Bailad of Sailor and Sunny hatte nennen wollen.
    Er musste an Ravenscraig

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