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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einem Fürsprecher oder Messias hatte machen lassen. Tyler Blake, der vor etwas mehr als fünf Jahren einen Werbespot für Damenunterwäsche gemacht und dafür den Vorwurf geerntet hatte, die Ideale einer ganzen Generation zu verraten. Ha!
    Blake.
    His Blake-ness.
    Jetzt kam er auf Danny zu, hier, an diesem Ort am Ende der Welt, wo Fuchs und Hase gemeinsam den Blues spielten.
    Er sah weitaus weniger elegant aus, als Danny ihn in Erinnerung hatte. Natürlich war er auch älter, ein Gentleman mit klaren blauen Augen, denen nichts, aber auch wirklich gar nichts, zu entgehen schien. Ja, die Augen waren von dem Blau, das Gold zu schneiden vermochte, wenn es darauf aus war. Auf den Seiten des Rolling Stone Magazines sahen diese meist zusammengekniffenen Augen mit den Krähenfüßen irgendwie farbmanipuliert aus. Waren sie aber nicht. Denn das Blau war tief, lebendig, ewig. Als habe man ein Stück des vollen Mondes gestohlen, wenn er sich in den Wassern der Seen spiegelt.
    »Du bist also Danny Darcy«, sagte eine Stimme wie altes, trockenes Holz, das im Feuer leise knistert. »Willi Kramer hat dich angekündigt.« Er sah Danny in die Augen, wenn er sprach. »Ich kenne deine Musik, Junge. Die Seeger Sessions, letztes Jahr, die waren wirklich nicht übel.« Hinter ihm schob sich das Haus mit seinen Erkern und Türmen vor die Silhouette des Waldes. Hohe Bäume reckten ihre Äste nach den Dächern.
    Ein richtiges Addams-Family-Anwesen, dachte Danny. Er stellte fest, dass er große Häuser noch immer nicht mochte.
    Tyler Blake öffnete das riesige Tor mit einem Schlüssel, der aussah wie ein Requisit aus einem Hollywood-Gruselfilm der 40er Jahre.
    »Als ich das Haus gekauft habe«, sagte er, »da wollte ich einen Platz, wo niemand mich findet.« Er verzog das Gesicht. »Hat funktioniert, oder?!« Er grinste, irgendwie väterlich. »Tritt ein«, forderte er Danny auf, und die Krempe seines Huts pinselte ihm Schatten in das hagere Gesicht. »Mein Manager schlug vor, dass ich alles hier mit neuester Elektronik sichern sollte. Digitale Kameras, elektrische Toröffner, all diese Gadgets, technischer Krempel ohne Ende.« Er lachte auf. »Alle schlugen mir das vor. Ha! Keiner von denen hat verstanden, warum ich hier wohne.«
    Danny sagte: »Sie wollten leben.«
    Wie in dem Song. Life in the Wilderness.
    Ein Leuchten erhellte die blauen Augen. »Wie Thoreau sagte: Ich ging in die Wälder, um zu leben. Oder so ähnlich.«
    Danny trat ein.
    »Willi Kramer konnte mir nicht genau sagen, was du von mir willst. Hat nicht danach gefragt, oder?!« Blake schloss das Tor wieder, drehte den Schlüssel um und wandte sich seinem Gast zu. » Sherazade «, sagte er. »Du hast da ein Wort benutzt, das ich nicht oft höre.« Abwartend musterte er ihn. »Man könnte es als Drohung verstehen. Mit etwas weniger Weitsicht, als ich sie besitze, könnte man leichtfertig annehmen, dass jemand mich erpressen will.« Er zwinkerte Danny Darcy verschwörerisch zu wie ein Mann, der ihn durchschaut hat. »Aber wenn du weißt, was eine Sherazade ist, Junge, dann wäre es nur töricht, so was zu tun.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte Danny offen heraus. Er fühlte sich klein in der Gegenwart des Zimmermanns.
    »Hm.« Blake drehte sich um, betrachtete Dannys alten roten Pick-up. »Gutes Auto«, stellte er fest. »Lässt einen nie im Stich.« Er ließ den Wind sein Gesicht streifen. »Sagt viel aus über jemanden, der Wagen, den er fährt.«
    »Kann sein.«
    »Ist so, Junge, glaub*s mir. Siehst du meinen Chevy da drüben? Gehört seit zwanzig Jahren zu mir.«
    Sie gingen ein Stück aufs Haus zu.
    Schweigend, der Stille Raum lassend.
    »Meine Mutter war eine«, sagte Danny schließlich, weil er etwas mit der Stille anfangen musste. »Eine Sherazade, meine ich.« Warum sollte er lügen? »Und ich kann es auch tun, ein wenig.« Er beschloss, ehrlich zu sein. »Aber ich tue es normalerweise nicht. Konnte mich nie damit anfreunden.« Er hielt dem Blick der blau klirrenden Augen stand. »Ich habe Sie damals in Amsterdam gesehen. Sie haben es getan, einfach so. Mit jedem, der in der Heinecken Music Hall war.« Danny stand auf dem Weg und fühlte sich irgendwie seltsam. Er redete mit Tyler Blake, erzählte ihm von seinen Nöten. Die Zahl der Menschen, die mit der Legende reden wollten, war sicherlich Legion, und er ging einfach so neben ihm her, und sie redeten, als würden sie sich schon lange Zeit kennen, wie Nachbarn, die sich jeden Tag zunickten, aber selten längere

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