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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wieder. Sie waren nicht hergekommen, um abzuhauen.
    Es war wie in dem Western.
    High Noon.
    Irgendwo gab es immer eine staubige Straße, auf der ein Mann ein Gefecht auszutragen hatte.
    Nie würde es anders sein.
    Nein, niemals.
    Er küsste Sunny, dann ging sie ins Bad. Danny sah ihr hinterher, folgte jeder ihrer Bewegungen. Dann ließ er sich aufs Bett fallen und schloss die Augen. Wie verrückt die Welt doch war. Meine Güte, bald schon würde er Vater sein.
    Jenny.
    Das war jetzt ihr Name.
    Jenny Darcy.
    Eine neue Welt würde ihn erwarten.
    Windeln, Spielsachen, Gutenachtgeschichten.
    Davor hatte er Angst. Er fragte sich, ob er dieser Herausforderung gewachsen war. Bisher hatte er immer nur für sich allein sorgen müssen. Sunny hatte ihm nie das Gefühl gegeben, nicht selbstständig zu sein. Sie war da, ja, sie war seine Frau, aber er hatte niemals geglaubt, sie sei auf ihn angewiesen.
    Er seufzte.
    Aber Jenny?
    Er wusste nicht einmal, was für ein Gefühl es sein würde, die Kleine im Arm zu halten.
    »Oh, Sunny«, murmelte er und schaute zur Decke hinauf. Er fühlte eine Liebe in sich, wie sie in den besten Songs besungen wird. Sie schenkte ihm unverhofft in genau diesem Moment die letzten Takte des Liedes, das er irgendwann für sie singen würde.
    Dann zerriss der Schrei die Nacht. Er war schrill, schnitt wie ein scharfes Messer in die Nachtschwärze vor dem Fenster.
    Erneut sagte er ihren Namen. »Sunny!« Diesmal laut und panisch. Er lauschte.
    Schrie den Namen: »Sunny?«
    Er sprang auf und rannte zum Bad. Das Gefühl, das sich in seinem Bauch ausbreitete, war nicht angenehm.
    Sie musste noch im Bad sein. Von dort war der Schrei gekommen. Er war ganz sicher.
    Oder?
    Die Tür war verschlossen. Er rüttelte daran.
    »Sunny?«
    Fester!
    Keine Antwort.
    Dann erneut ein Schrei, weiter aus der Ferne, aber immer noch im Haus, Wo kam er her?
    Er klang, als dränge er durch die Tür, aber Danny war sich nicht mehr sicher. Die Wände schienen ihr eigenes Leben zu haben, zumindest hier.
    Verzweifelt hielt er inne.
    Schlug mit den Fäusten gegen die Tür.
    Keine Antwort.
    Er drehte am Knauf, fester und fester. Nichts.
    Er nahm Anlauf, warf sich gegen die Tür. Das Holz zerbarst, und sie schwang auf. Das Bad war leer. »Fuck!«
    Auf dem Boden lag ein Haargummi, sonst nichts. Kein Anzeichen von seiner Frau. »Suzanna!«, schrie er in die Nacht.
    Bitte, sag schon was. Ich weiß, dass du hier bist.
    Er konnte die Panik in seiner Stimme förmlich schmecken. Wie Galle. Wie Finger, die bluten, wenn mitten im Lied eine Saite der Gitarre reißt.
    Wo, verdammt nochmal, war sie nur hin?
    Er hatte sie selbst ins Bad hineingehen sehen, das war keine zwei Minuten her. Das Fenster war verschlossen, er überprüfte es. Draußen zuckte ein Blitz durch die Nacht. Da!
    Wieder ein Schrei. Er kam von draußen.
    Ja, genau, sie musste irgendwo im Korridor sein. Vielleicht war sie ja doch nach draußen gegangen, und er war nur so sehr mit seinen Gedanken an die kleine Jenny beschäftigt gewesen, dass er nichts bemerkt hatte.
    Möglich, möglich-
    Möglich war alles.
    Er stürmte aus dem Zimmer.
    Der lange Korridor mit dem roten Teppich auf dem Holzboden war verwaist.
    »Danny!«
    Er fuhr herum.
    Starrte die Tür auf der gegenüberliegenden Seite an.
    Ja, das war es.
    Eindeutig war dieser Schrei aus dem Zimmer nebenan gekommen.
    Er rüttelte an der Tür, trat unvermittelt dagegen.
    Scheiß auf die Gastfreundlichkeit, dachte er.
    Die Tür schwang auf, und Danny fuhr erschrocken zurück.
    »Unmöglich«, entfuhr es ihm.
    Einen Augenblick lang dachte er, an einem anderen Ort zu sein. Aber nein, das konnte nicht sein. Nicht hier, nicht jetzt. Das war unmöglich. Keiner hier wusste etwas von seiner Vergangenheit. Außer Sunny natürlich. Und den Sirenen. Er hatte ihnen alles erzählt.
    Er taumelte, hielt sich am Türrahmen fest.
    Aber ich habe es ihnen nicht so detailliert erzählt.
    Wie auch immer...
    »Das ist Ravenscraig«, stammelte er nur.
    Mehr brauchte man nicht zu sagen.
    Sein Gehirn versuchte zu erklären, was er da gerade sah. Schaffte es aber nicht wirklich.
    Okay, er musste jetzt Ruhe bewahren.
    Er hatte Sunny davon erzählt, lange und ausführlich. Aber dies hier, das war sein Elternhaus. Es war da, in diesem Zimmer, irgendwo im Maison Rouge in den Sümpfen von Louisiana, am Ende der Welt, wo es heiß und schwül war, so weit von der schottischen Küste entfernt, wie man es sich nur irgendwie denken konnte.
    Ravenscraig.
    Fuck!
    Die

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