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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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rappelte er sich auf.
    Er hatte keine Zeit für diesen Blödsinn. Sunny war hier irgendwo. In einem dieser Räume, die voller Bilder und Geschichten waren; irgendwo hatten sie seine Frau hingebracht.
    Er fluchte.
    Mit letzter Kraft kroch er voran.
    Am Ende der Straße, die er vor sich sah, war der Ausgang des Zimmers, er spürte es. Je näher er ihm kam, umso deutlicher umrissen war die Tür. Als er die Hand nach ihr ausstreckte, wurde sie ganz sichtbar.
    Er wankte hinaus.
    Über die Schwelle.
    Atmete auf.
    Hey, er war wieder im Maison Rouge, Na, immerhin.
    Keuchend sank er auf den roten Teppich und blieb dort liegen.
    Als er die Augen erneut öffnete, sah er die Sirenen. Sie standen vor ihm, gekleidet in weiße Nachtgewänder, wie die Gespenster.
    »Sie werden Ihre Frau erst und nur dann wiedersehen«, sagte Madame Cacaelia, »wenn Sie uns die Lyra gebracht haben.«
    »Das ist die einzige Wahl, die wir Ihnen lassen: Tun Sie es, und alles wird wieder gut.« »Weigern Sie sich, und Sie werden die Sümpfe nie wieder verlassen.«
    SIEBENTES KAPITEL
    Wie ein Fremder ohne Namen
    These days I get to where I'm going - make it there eventually, follow the trail of brcadcrumbs to where I'm meant to be.
    MARK KNOPFLER, True Love Will Never Fade
    Die Wege, auf denen man sich in unentdeckte Länder vorwagt, können voller Scherbensplitter sein, so schneidend und schmerzhaft, dass man sie kaum unverletzt hinter sich lassen kann. Und Danny Darcy, der Wege wie diese kannte, wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab.
    Er schritt den Korridor ab und betrachtete die Türen. Eine sah wie die andere aus. Doch hinter jeder mochte sich etwas anderes verbergen. Was, das würde er herausfinden müssen.
    Er berührte die Klinken.
    Als würde es ihm die Entscheidung erleichtern, wenn er das Metall berührte.
    Blödsinn, er hatte nicht die geringste Ahnung, was er da tat. Als er klein war, da hatte seine verrückte Mutter ihn viel zu oft in fremde Geschichten verbannt. Er kannte die Regeln, die dort herrschten. Alles war einfach. Nur ein einziges Gesetz besaß Gültigkeit. Und dieses Gesetz rief er sich jetzt ins Gedächtnis zurück.
    Es gibt keine Gesetze!
    Das war alles.
    Es gab keine Regeln. Man musste einen Schritt vor den anderen setzen und darauf hoffen, das Richtige zu tun. Er hatte keine Ahnung, wie er diese Lyra finden sollte. »Na dann«, murmelte er und öffnete die nächste Tür.
    Die Damen standen hinter ihm im Korridor und schauten ihm sehr schweigsam auf die Finger. Okay, sagte er sich, das ist nur ein leerer Raum. Nichts sonst.
    Es standen keine Möbel in dem Zimmer. Die Tapeten hatten die Farbe von ausgewaschenem Sand. Die Läden vor dem Fenster waren geschlossen. Von draußen hörte er den Donner grollen. Ein kurzes Aufleuchten blitzte in den Raum, kroch durch die Ritzen der Fensterläden, hinein in die Düsternis, die nur vom Licht aus dem Korridor erhellt wurde.
    Danny Darcy betrat den Raum. Tat einen Schritt. Noch einen.
    Er stand in dem leeren Zimmer. Die Wände erinnerten ihn an die Wüste; ja, genau daran musste er denken.
    Er konzentrierte sich, ließ sich vom Klang des Wortes, das ihn vielleicht leiten würde, tragen.
    Lyra.
    Dann blinzelte er, und im Wimpernzucken dieses Blinzeins wurde die Welt eine andere. Ja, er war eine Sherazade.
    Er hatte Geschichten gelesen, die vom Suchen handelten. Von Menschen, die unterwegs waren. Die sich treiben ließen von Abenteuern. Er kannte die Lieder, die diese Männer besangen.
    Jetzt war er einer dieser Männer.
    Born to run.
    Er holte tief Luft, und die Wände lösten sich im gleißenden Sonnenlicht auf, während in der Ferne über längst vergessenen Bayous der Donner grollte.
    Er stürzte.
    Schritt voran.
    Sein Name war jetzt Staub, seine Vergangenheit verweht.
    Das Maison Rouge lag im Jenseits seiner Erinnerung, die immer mehr verblasste.
    Da waren Bilder, die wie Songs auf seinen Augen brannten.
    Mit einem Mal war er ein alter Mann.
    Er spürte es, im Wind, den Knochen, den Fingern.
    Das, was hinter ihm lag, war wie die Gerippe der Tiere, die den Weg säumten. Das Weite Land brannte wie die Sonne in seinem Blick. Er suchte in der Ödnis nach allem, was nicht Wüste war. Sein Pferd lahmte, sein Maulesel war halbblind.
    Er war der Fremde ohne Namen - und er spürte, dass er so aussah, wie der Fremde ohne Namen immer aussieht.
    Beim letzten Wasser loch hatte er dem Pferd die Hufe gekühlt und dem Maulesel die Augen benetzt. Er selbst hatte nur wenig getrunken. Die Welt war

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