Macabros 001: Der Monster-Macher
nur
entdeckt hatte, sondern darüber hinaus den Toten auch noch
kannte.
Es handelte sich um Poul Anderson, der vor über einem
Vierteljahr verschwunden war und den man mit dem tödlichen
Unfall an Hellmer in Verbindung brachte.
Der Polizeiapparat begann auf Hochtouren zu laufen.
*
Kommissar Choquerk war ein Mann mittleren Alters, ruhig und
besonnen. Er trug einen rotblonden Lippenbart. Die Barthaare waren
borstig und standen ab.
Seit einem Vierteljahr tappte die Polizei im dunkeln. In der Akte,
die den Fall behandelte, stand ein Vermerk, aus dem ersichtlich war,
daß man in einer Sackgasse angekommen war. Der Leichenfund
brachte aber einiges in Bewegung.
Chantalle Durimand zündete schon ihre zehnte Zigarette an,
als sie mit der wichtigsten Frage herausrückte:
»Und was hat die Fingerstellung zu bedeuten, Kommissar?«
Chantalle Durimand war ein harter Brocken. Wenn sie mal jemand am
Angelhaken hatte, dann ließ sie so schnell nicht mehr locker.
»Es ist doch sicher außergewöhnlich, daß ein
Sterbender Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand spreizt, um das
Zeichen für Sieg zu machen! Finden Sie nicht auch?«
Choquerk preßte die Lippen zusammen. »Merkwürdig
ja. Wir haben keine Erklärung dafür. Als er starb, war er
möglicherweise völlig durcheinander. Vielleicht stand er
unter dem Einfluß von Drogen oder Alkohol. Die Obduktion wird
das noch klären.«
Chantalle Durimand blies heftig den Rauch zwischen den Lippen
heraus, warf dann den hübschen Kopf zurück und sah Philip
Choquerk nachdenklich an. »Anderson hatte keinen Grund, das
Zeichen für ’Sieg’ zu zeigen. Er erlebte die
Niederlage durch den unglücklichen Unfall mit. Könnte es
nicht anders herum sein. Könnte er mit dem ’V’, das er
zeigt, nicht auf die Sieger hinweisen wollen?«
»Sie meinen auf die Japaner?«
»Richtig.«
»Sie werden verstehen, daß unmittelbar nach
Bekanntwerden des Untersuchungsergebnisses durch die Experten gerade
der Umstand des japanischen Sieges, der so erhofft und erwartet
worden war, uns zu denken gab, Mademoiselle Durimand. Wir haben die
gesamte japanische Mannschaft verhört und ihre Alibis eingehend
überprüft. Es gibt darin keinen einzigen schwachen
Punkt.«
»Hat sich auch Yamahoki äußern können?«
schoß sie ihre nächste Frage unvermittelt ab.
»Er war zum fraglichen Zeitpunkt gemeinsam mit seinem Manager
Hamado auf seinem Hotelzimmer. Wir gehen heute von der Vermutung aus,
daß Poul Anderson von Unbekannten entführt und dann
ermordet wurde. Dies alles herauszufinden, zu rekonstruieren und vor
allen Dingen hieb- und stichfest zu beweisen, dazu bedarf es eben
noch einiger Anstrengungen, meine liebe Mademoiselle Durimand. Sie
verstehen eine ganze Menge von schnellen Zeiten – aus dem Sport.
Wir bei der Polizei müssen da ein wenig langsamer treten. Mit
olympischen Bestleistungen ist da nichts zu machen. Ich empfehle
Ihnen, bei Ihren Leisten zu bleiben. Sie verstehen viel vom Sport,
aber sicher kaum etwas von einem Mordfall.«
Das Zwiegespräch war nicht sehr ergiebig. Chantalle zog die
Konsequenzen daraus und verabschiedete sich schließlich von
Philip Choquerk.
Sie suchte ihr Hotelzimmer auf. Von Gerard Soure lag eine
Nachricht auf dem Tisch. Der Schwimmer teilte ihr mit, daß er
in einem kleinen Bistro an der Ecke auf sie warte. Sollte sie bis
sechs Uhr nicht dasein, würde er den Abend im Kino
verbringen.
Es war jetzt halb fünf. Noch genügend Zeit, sich fertig
zu machen und mit Gerard das Rendezvous einzugehen.
Chantalle entkleidete sich und stellte sich unter die Dusche. Als
sie sich abfrottierte, betrachtete sie sich dabei nachdenklich.
Sie hielt in der Bewegung inne und brachte ihren rechten Arm unter
dem flauschigen Badetuch in die Höhe, so daß die Hand im
Spiegel zu sehen war.
Chantalle Durimand formte die Hand genauso wie sie das bei dem
Toten gesehen hatte, sie spreizte die beiden Finger, bildete das
»V«, das Zeichen für Sieg.
»V«, murmelte sie, und ihre Lippen bewegten sich kaum.
»›V‹ steht für Victory. Aber es muß kein
›V‹ sein… muß nicht Victory bedeuten, es kann
auch ein Ypsilon sein. Ypsilon wie… Yamahoki!«
Sie merkte, wie es ihr plötzlich siedendheiß wurde.
Hatte Poul Anderson im Angesicht und der Gewißheit des Todes
noch die Kraft gefunden, auf diese Weise auf seinen Mörder oder
zumindest auf den hinzuweisen, der mit seinem Tod in Zusammenhang
gebracht werden sollte? Ein Zeichen für die Menschen, die ihn
mal finden
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