Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren
gewesen wäre.
Macabros hatte sich an die Stelle katapultiert, an der er
Bruchteile von Sekunden zuvor noch Carmen de Silva wahrgenommen
hatte.
Beklemmend schlug die heiße Luft über ihm zusammen. Er
sah die Spanierin wie in einem Spalt vor sich verschwinden und wurde
mitgerissen, ehe er es verhindern konnte.
Er kam sich klein und verloren vor in der brüllenden, ihn
umgebenden Weite, in der das Gelächter des bronzefarbenen
Titanen wie Donnergetöse wirkte.
Die Welt um ihn herum veränderte sich.
Das war nicht mehr Finjas, nicht die Plaza Mayor, umstanden von
den blassen, schmalbrüstigen Häusern mit den grünen
Fensterläden!
Gurgelnde Schwärze hüllte ihn ein, dann erfolgte ein
Ruck.
Macabros überschlug sich.
Gewandt rollte er sich ab und kam federnd auf die Beine. Wie von
erhöhter Warte blickte er herab auf eine düstere,
bedrückende Alptraumlandschaft des jenseitigen Reiches…
*
In Finjas war der Teufel los. Die Menschen drängten ins
Freie. Sie stießen sich gegenseitig um und suchten ihr Heil in
der Flucht.
In der Küche der Herberge stand ein Topf mit
siedendheißem Öl.
Die Köchin hörte die Schreie und das Poltern, als Tische
und Stühle umfielen. Glas splitterte, als würden die
Menschen vor Entsetzen aus den Fenstern springen.
»Bagnolas Haus ist verschwunden!«
»Der Bäcker und seine Familie sind weg!« schrie es
wirr durcheinander.
Esmeralda zuckte zusammen. Hier in der kleinen Küche mit
Blick auf einen finsteren Innenhof, dessen eine Seite von nackter,
glatter Felswand gebildet wurde, bekam sie nicht viel von dem mit,
was sich vorn auf der Straße und der Plaza abspielte.
»Es wird uns noch alle holen!« rief eine andere
Stimme.
Es? Was war – es?
Esmeralda brachte ihre zweihundert Pfund Lebendgewicht erstaunlich
schnell in Bewegung. Sie war aufgeregt wie alle, wirbelte etwas zu
schnell herum und stieß mit dem Ellbogen gegen den Topf. Der
kippte um.
In dem allgemeinen Lärm hörte die zur Tür eilende
Köchin nicht mehr, wie der Topf umstürzte. Die
Geräusche draußen waren lauter.
Sie lief durch den handtuchschmalen Korridor.
In der Küche nahmen die Dinge ihren Lauf.
Das siedende Fett lief in die Ritzen der alten, rostigen
Herdplatte. Flammen züngelten nach außen, dann schoß
eine einzige Feuerfontäne zischend und knisternd die Abzugshaube
empor, hüllte sie völlig ein und prallte an die Decke.
Das trockene Holz fing Feuer.
Das vom Herd tropfende Öl bildete kleine,
flammensprühende Rinnsale, setzte das Linoleum in Brand und
einen Tisch, auf dem drei Lammsteaks fertigzubereitet lagen. Sie
verschmorten.
Die Küche war ein einziges Flammenmeer.
Der Brand wurde gleich darauf entdeckt, aber da war niemand, der
in der allgemeinen Aufregung etwas unternehmen konnte oder
wollte.
Alle flohen aus dem Dorf.
Zuckende Flammen stiegen hinter den Fenstern der Herberge hoch und
erfaßten die Vorhänge. Fensterscheiben zersprangen mit
lautem Klirren, die Aufregung wuchs.
Feuerzungen ergriffen die hölzerne Balkonbrüstung, die
wie eine Galerie um die Herberge lief.
Sie fraßen sich knisternd in das morsche, trockene Holz, und
Ausläufer des Brandes erreichten das erste Stockwerk. Dort oben
lag hinter der Fensterbrüstung ein Mensch und rührte sich
nicht. Björn Hellmark war bewußtlos und merkte nicht,
daß Rauchschwaden durch die Türritzen und das
offenstehende Fenster drangen und den Sauerstoffgehalt der Luft
minderten. Niemand sah diesen Mann. Jeder war mit sich selbst
beschäftigt.
*
Dunkelblau und dunkelrot waren die Nebelschwaden, die von dem
flachen Tal emporstiegen und seine Füße
einhüllten.
Eine seltsame unwirkliche Stadt breitete sich vor ihm aus.
Wie Stalagmiten ragten turmähnliche Bauwerke aus dem
düsteren, brodelnden Untergrund, und farbige Nebelfetzen wehten
mit dem geheimnisvoll sirrenden Wind auf ihn zu.
Ferne Schreie mischten sich in ein dumpfes Lachen, das von
überall herzukommen schien, aus dem trüben, wirbelnden
Himmel, aus der dunklen Erde, aus den Ritzen und Spalten der
turmähnlichen Bauten.
Manche sehen aus wie morsche, gekrümmte Knochen, schoß
es Macabros durch den Kopf.
Ein schmaler, gewundener Pfad führte in das Tal. Er ging den
Weg, aufmerksam seine fremdartige Umgebung betrachtend.
Er war mit dem Sog, den der unheimliche Riese verursacht hatte,
hierher geraten, aber Sekundenbruchteile vor seiner Ankunft waren
Carmen de Silva und die anderen eingetroffen. Auch das Haus. Aber er
sah nichts von alledem.
Er
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