Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren
flammte auf.
Der einzige Gasthof in Finjas war zum Bersten gefüllt.
Die Menschen diskutierten den Vorfall.
Björn hatte ein Zimmer bekommen. Es war einfach und
schmutzig, aber daran störte er sich nicht. Er brauchte eine
Unterkunft für die Nacht.
Hellmark machte sich seine eigenen Gedanken über die
Vorgänge und fand, daß beide Male Carmen de Silva in
irgendeiner Form betroffen war.
Sie war mit dem Ungeheuerlichen zuerst konfrontiert worden, als
sie ihren Eltern einen Besuch abstattete. Sie sah den Unheimlichen,
als sie nach Finjas eilte, um sich dort Hilfe und Rat zu holen.
War das alles in irgendeiner Form ein Angriff auf Carmen de Silva?
Wurde sie von Mächten außerhalb der sichtbaren Welt
bedroht?
Björn Hellmark stand am Fenster des kleinen Zimmers und
blickte hinaus.
Von hier aus konnte er die Plaza Mayor und die Hauptstraße
beobachten bis zu der Lücke, die das fehlende Haus
hinterließ.
Carmen de Silva, in Begleitung dreier Uniformierter und zweier
Angehöriger des eingetroffenen Hilfs-Corps sowie des Fotografen,
kam gerade über den Platz.
Wie oft hatte sie nun schon ihre Geschichte erzählt!
Björn dachte daran, daß es gut wäre, den Kontakt
zu diesem jungen Mädchen aufrechtzuerhalten, sie nicht
unbeobachtet zu lassen.
Wie auf einem Tablett boten sich ihm der Platz und die
Straße dar. An einer Ecke hockte eine Familie beisammen. Aus
einem weit geöffneten Fenster reichte eine alte Frau Decken und
Kissen. Es sah ganz so aus, als ob diese Leute es nicht wagten, die
Nacht über ihrem Haus zu verbringen, aus Angst, es könne
sich ebenfalls in Luft auflösen.
Schließlich war nicht nur das Haus verschwunden, sondern
auch die Menschen darin. Im ganzen Ort hatte man nach ihnen gesucht,
doch vergebens.
Ein Kastenwagen ratterte durch die Hauptstraße. Alfredo
Guadalupe saß hinter dem Steuer. Die Tür zum Wagen stand
offen, und es war deutlich zu sehen, daß im Wagen eine
große Familie zusammengepfercht saß. Sie ließ sich
evakuieren. Sie wollte raus aus Finjas.
Einen Moment lang verdeckte der rostige Wagen Carmen de Silva und
ihre Begleiter.
Und genau in dieser Sekunde geschah es, daß der Unheimliche,
Unsichtbare erneut zuschlug.
Björn sah, wie die Luft über dem Dach des ihm genau
gegenüberliegenden Hauses plötzlich zu flimmern begann.
Der Himmel wurde stumpf grau. Schemenhaft zeigten sich die Umrisse
einer mächtigen Gestalt. Der Oberkörper eines Titanen wurde
sichtbar, der einen riesigen Kahlkopf hatte, der an eine Kugel
erinnerte. Große, schrägstehende Augen, gewaltige
Hände, die wie Schaufeln über den Dächern
schwebten…
Zwei Sekunden lang war Hellmark wie gelähmt und hielt den
Atem an.
Ein vielstimmiger Aufschrei zerriß die Nacht.
Die Menschen begannen zu laufen. Nun wurden viele Zeuge des
Geschehens.
Ein feuchtheißer Luftzug strich über die Köpfe der
Rennenden hinweg.
Die riesigen Hände des halbdurchsichtigen Giganten griffen
nach unten.
Er packte das Haus, vor dem Carmen de Silva und die Männer
von der Guardia Civil und dem Hilfscorps standen. Mitsamt den Mauern
wurden sie in die Höhe gerissen und gerieten in einen
mächtigen Sog, der ihnen den Boden unter den Füßen
wegzog.
Der Verputz an dem ockerfarbenen Haus rieselte herab, mehrere
Dachziegel lösten sich.
Björn Hellmark handelte.
Es war zu spät, jetzt noch aus dem Haus zu stürmen und
den bedrohten Menschen zu Hilfe zu eilen.
Wertvolle Minuten wären verloren gegangen. Er mußte
schnell sein wie ein Gedanke, und er war in der Lage dazu, so etwas
zu vollbringen.
Er konzentrierte sich auf einen Punkt drüben vor dem Haus
– und schnell wie sein Gedanke war sein Zweitkörper
drüben an der Stelle, wo Carmen de Silva in Gefahr schwebte.
Hellmark hatte das Gefühl, in einen gigantischen Sog gerissen
zu werden.
Der Deutsche taumelte und mußte sich am Fenster
abstützen. Vor seinen Augen verschwamm alles, und er brach vor
der Fensterbank zusammen. Björn war nicht mehr in der Lage, die
Energie zu kontrollieren, die er benötigte, um seinen
Doppelkörper aufrechtzuerhalten. Es war, als ob alles Leben aus
seinem Körper in den rund hundert Meter entfernt entstehenden
Zweitleib strömen würde.
*
Macabros geriet im wahrsten Sinn des Wortes in den Sog der
Entwicklung.
Hellmarks Zweitkörper wirbelte durch die Luft. Er sah wie das
Haus, wie die Männer von der Guardia Civil und vom Hilfscorps im
stumpfgrauen Himmel verschwanden, wie sie aufschrien, ohne daß
auch nur ein Laut zu hören
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