Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren
einfachsten Weg gehen?« klang es
spöttisch zurück. »Du bist gekommen, weil du neugierig
warst. Ich werde dir zeigen, was du sehen willst, und du wirst sehen,
daß du nichts an dem wirst ändern können, was
geschehen muß! Komm, wenn du Mut hast, komm raus aus dem
Haus!«
Macabros machte es sich einfach, er stieg aus dem Fenster.
Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich weich und
schwammig an, und der Hof, der erfüllt war von giftgrünen
Nebelschwaden, schien plötzlich durchzuatmen wie eine
gigantische Lunge, in die er geraten war.
Aus den Winkeln und Ecken krochen sie heran. Schatten
näherten sich. Sie lösten sich von alten Häusern, die
Orlok vor langer Zeit aus verschiedenen Teilen der Erde genommen
hatte, und schwebten lautlos auf ihn zu.
Macabros kam sich plötzlich vor wie in einer riesigen Halle,
in der sich die wallenden Nebelschleier allmählich lichteten,
und die wahre Umgebung sich Stück für Stück dem Auge
des Betrachters zeigte.
Die schlanken Turmruinen wirkten wie Säulen, die Straße
war ein Platz, der in der Ferne etwas anstieg. Ein bizarres
Gebäude, das entfernt an einen düsteren Tempel erinnerte,
nahm das Ende dieses Platzes ein. Macabros war es nicht möglich,
die Entfernung zu schätzen.
Geisterhaften Gestalten gleich schoben sich die Untoten und
Halbdämonen, die Orlok in diesem Teil des Jenseits dienten, auf
den Eindringling zu.
Es waren Menschen. Aber was für welche! Ihre Haut war
grau-grün, und sie trugen nur noch Fetzen auf dem Leib, die
aussahen wie zerschlissene Totengewänder.
Diese Menschen hatten sich zu ihren Lebzeiten in irgendeiner Form
mit gefährlichen okkulten Experimenten und schwarzmagischen
Künsten befaßt. Nach dem Eintritt ihres Todes aber
erhielten sie den Lohn der bösen Tat.
Orlok forderte sein Recht. Bei Nacht und Nebel mußten die
Verdammten ihre friedlichen Gräber verlassen und den Weg in ein
Jenseits antreten, in dem sie zu Dienern des schrecklichen Phantoms
wurden.
Und nun schickten sich diese Legionen der Untoten an, mit Hilfe
anderer Unglücklicher wieder ins Leben zurückzukehren. Ein
teuflischer Kreislauf!
Macabros stand mitten im Hof, und von allen Seiten kamen sie auf
ihn zu.
Unheimliches Grinsen spielte um die schmalen, runzligen Lippen der
Untoten. Hinter den anrückenden Schreckensgestalten wogte der
Nebel auf und nieder, und schemenhafte Gestalten wechselten dort ihre
Form.
Das Heer der Halbdämonen, das seit unvorstellbaren
Zeiträumen Orlok diente, war in dieses Reich verdammt, konnte
diesen Raum nicht verlassen und war an Orlok gekettet. Die
gespenstischen Wesen rückten mit den Untoten an, als erwarteten
sie ein Schauspiel besonderer Art.
Der Eindrücke waren zu viele, als dass Macabros sie alle auf
einmal hätte aufnehmen können.
Ein Ereignis trat in den Mittelpunkt.
Er hörte leises Schreien und dumpfe, eilige Schritte, als
befände sich jemand auf der Flucht.
Die Geräusche kamen von der Seite her.
Dort war auch Bewegung.
Ein Mensch! Carmen de Silva! In größter Hast, mit
fliegendem Atem und schweißüberströmtem Gesicht kam
sie aus einer Seitenstraße und lief genau in die Gasse, welche
die Untoten und die Dämonen bildeten.
Sie prallte zurück und drehte sich im Kreis mit vor Entsetzen
aufgerissenen Augen.
»Nein!« Die Luft erbebte unter ihrem Schrei.
Sie schluchzte und brach zusammen. Macabros wollte einen schnellen
Schritt auf sie zumachen, aber das ging nicht. Wie angewurzelt
mußte er stehenbleiben. Eine unsichtbare Kraft hielt ihn
fest.
Die Unheimlichen schlossen die Gasse.
Macabros und Carmen de Silva befanden sich mitten drin.
Das Mädchen kroch auf allen vieren davon und hob den Blick,
als aus der Reihe der Untoten sich eine Gestalt löste.
»Carmen!« sagte eine leise, freundliche Stimme.
Macabros sah die Frau, deren Gewand ebenfalls zerfetzt war, die
aber nicht so aussah, als wäre sie erst kürzlich dem Grab
entstiegen.
Ihr schwarzes, langes Haar lag lose auf den Schultern, ihre Haut
war grau und unansehnlich, als befände sich kein Tropfen Blut
mehr in ihren Adern.
Das schmale Gesicht war oval, und die tiefliegenden Augen
glühten in verzehrendem Feuer.
»Carmen! Liebe Carmen!«
Das Mädchen riß den Kopf hoch und starrte die
Sprecherin erschreckt und mißtrauisch an.
»Mutter?« kam es leise und langgezogen über die
Lippen der jungen Lehrerin. »Mutter – wie kommst du hierher
– unter diese schrecklichen Gestalten? Wie siehst du aus…
mein Gott, was hat man mit dir
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