Macabros 022: Phantom aus dem Unsichtbaren
hatte mit seinem Geist und seinem Zweitkörper die Grenzen
von Raum und Zeit durchdrungen, und es kam ihm darauf an, in diesen
entscheidenden Minuten von der fremden Welt des unsichtbaren Phantoms
soviel wie möglich mitzubekommen, in der Hoffnung, dadurch denen
Hilfe zu bringen, die sie brauchten und in der Erwartung,
ähnliche Vorkommnisse zu vermeiden.
Macabros war ein durch Geist geschaffener Ätherkörper,
der sich solange frei bewegen konnte, solange sein
Originalkörper die Kraft dazu spendete. Über die Grenzen
von Raum und Zeit hinweg war dies ein besonders strapaziöser und
kräfteraubender Vorgang, und in seinem Unterbewußtsein
registrierte Björn, daß sich eine tödliche Gefahr
für ihn entwickelte, wenn er die Schwäche nicht
überwand und die analysierende und registrierende Kraft, die
seinem Zweitkörper zufloß, zurückrief.
Sein Originalkörper wurde immer schwächer, und durch die
äußeren Umstände, die in Finjas herrschten, wurde die
Situation nur verschlimmert.
Er benutzte den schmalen Pfad wie im Traum. Das ganze Geschehen
war wie eine Vision, wie ein Traum, und Raum und Zeit waren
aufgelöst.
Macabros bewegte sich zwischen den turmartigen Ruinen, die eine
immense Höhe hatten. Der Wind pfiff durch die Ritzen und
Löcher, und die Stalagmiten wurden zu gigantischen Pfeifen, die
seltsame Geräusche von sich gaben. Ein klagendes, langgezogenes
Wimmern erfüllte die Luft und mischte sich mit den fernen
Schreien unglücklicher Menschen, die entführt worden waren
und die er suchte.
Er kam sich vor wie in einem gigantischen Labyrinth, er passierte
Hallen und Säle und eigenartige geformte Torbogen.
Eine vergessene Stadt…
Als Macabros der Gedanke kam, durchpulste es ihn
siedendheiß.
War das die Stadt, von der Al Nafuur gesprochen hatte? Die Stadt,
in der eine Rasse der Magier vor undenklichen Zeiten zusammengekommen
war, um sich gegenseitig in die Welt der geheimen Mächte
einzuführen?
Plötzlich zuckte er zusammen.
Er stand vor einem Haus mit roten Ziegeln und einem
baufälligen Äußeren. Die Fensterrahmen hingen
windschief, ebenso die Tür.
Ein irdisches Haus mit einem spitzen Dach, einstöckig,
Fachwerkbauweise.
Dieses Haus paßte nicht in dieses Reich, und Macabros ahnte,
auf welche Weise es hierhergekommen war. Genau auf die gleiche, wie
das gigantische Phantom das Haus der de Silvas und die beiden
Häuser aus Finjas geholt hatte!
Was bedeutete das?
Neugierig trat er ein. Das Haus war voll eingerichtet. Macabros
durchquerte den Korridor, das Wohnzimmer. Eine zerschlissene
Polstergarnitur gruppierte sich um einen runden Tisch. Alles war dick
verstaubt. Die Möbel waren uralt. Als Macabros einen Sessel
berührte, brach er leise knirschend zusammen, und eine riesige
Staubwolke hüllte ihn ein.
Das Haus war nicht mehr bewohnt. Wer immer hier gelebt hatte, war
selbst schon zu Staub geworden und…
»Nein! Du irrst«, sagte da die fremde Stimme, und sie
dröhnte wie Donnerhall. »Hier wird niemand zu Staub, nicht,
wenn ich es nicht will!«
Macabros wirbelte herum.
Lautes Lachen…
Er sah niemand.
»Aber ich sehe dich.«
Spöttisch und markig klang die fremde Stimme, und sie kam von
überall her.
Macabros stürzte zum Fenster. Draußen waberten
giftgrüne Nebel vorbei. Er glaubte in einen Hof zu blicken, der
sich groß und rund hinter dem alten Haus ausdehnte.
»Wer bist du? Wo bist du? Warum zeigst du dich nicht?«
rief Macabros, sich in der Runde umsehend.
»So viele Fragen auf einmal! Hoo-hoo… Die Hauptsache ist
doch, daß ich alles über dich weiß. Es ist nicht
nötig, daß du auch über mich etwas
erfährst.«
Macabros dachte an Al Nafuur.
»Du bist Orlok«, sagte er einfach.
»Ja. Aber das Wissen nützt dir nichts.«
»Warum greifst du die andere Seite der Welt an? Was haben dir
die Menschen getan?«
»So kann nur ein Mensch fragen. Was muß man getan
haben, Erdenwurm? Es paßt in mein Spiel! Sie alle spielen eine
Rolle. Auch du…«
Es klang bedrohlich, aber Macabros kannte keine Furcht. Ihm konnte
nichts zustoßen.
»Glaubst du wirklich?« Seine Gedanken waren für den
Beobachter offen wie ein aufgeschlagenes Buch. »Ich kann dich
hier behalten, wenn ich will. Ich weiß, wer du bist und was du
willst, und ich werde Molochos einen großen Dienst erweisen.
Ich könnte deinen Geist für alle Zeiten hier gefangenhalten
– und dich daran hindern, daß er je wieder in deinen
wahren Körper zurückkehrt.«
»Warum tust du es nicht?«
»Warum sollte ich den
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