Macabros 023: Gefangen im Totenmaar
Todesschrei.
*
Der muskulöse Krieger mit dem ledernen Lendenschurz, auf dem
rätselhafte Zeichen und Symbole eingebrannt waren, erhob sich.
Er war so groß wie Hellmark.
»Kaphoon«, sagte er in einer unbekannten Sprache. Und
doch verstand Hellmark jedes Wort, als wäre er mit dieser
Sprache und unter diesem Volk großgeworden. »Du bist
zurückgekehrt, du hast dein Versprechen gehalten.«
Der Daiss reichte ihm die Hand. Sie wechselten einen festen
Händedruck.
»Ich heiße Raos«, sagte der Mann mit der
bräunlichen Haut und dem dunkelgewellten Haar.
»Dämonen haben die friedliche Stadt Atamia überfallen,
und es ist ihnen gelungen, unsere Körper von unserem Geist zu
trennen. Aber in dem Augenblick, da die abgeschlagenen Köpfe den
geheiligten Sand berühren, entstehen die Körper neu, welche
nur durch den Geist gebildet werden können. Einmal nur kann sich
dieser Vorgang wiederholen.«
Björn nickte. »Ich weiß. Ihr dürft euer Leben
nicht noch mal riskieren. Ihr alle sollt zurückkehren, und mit
euch die geweihte Stadt Atamia. Aus der Finsternis, in der ihr sie
verborgen haltet, soll sie zurückkehren unter diesen
freundlichen Himmel. Die Bäche werden wieder fließen, die
Quellen neu entspringen, die Gärten werden erfüllt sein von
eurem Lachen. Die Blumen werden stärker duften als in der
Dunkelheit des Verstecks, und eure Frauen werden mit euch die
paradiesischen Stunden verleben, in der nur Harmonie und Glück
herrschen sollen, ohne Angst vor einer Wiederkehr der Unheimlichen,
die bei euch eingefallen sind.«
Björn sprach mit den Worten der Daiss. Für einen
Außenstehenden hörten sie sich geschwollen und
unnatürlich an, für die Daiss aber klang es
natürlich.
Mit dem Schwert des Toten Gottes schlug Björn Hellmark einen
Pfahl nach dem anderen nieder. Die Köpfe rollten von den
Stangenspitzen, und als die geheimnisvollen, lebenden Nebel aus dem
Nichts sich formten und neue Gesichter, neue Körper schufen,
erfüllte ihn ein unendliches Gefühl des Triumphes und der
Zufriedenheit.
Männer und Frauen erlebten eine Wiederauferstehung, da die
Dämonenheere Molochos’ zwar die Körper, aber nicht den
Geist der Daiss hatten vernichten können.
Doch zu einem zweiten Zusammenstoß durfte es nicht
kommen.
Das phantastische Geschehen, das sich hier abspielte, war
unfaßbar, widersprach allem, und doch gehörte es zum
Alltag eines Mannes, der sein Leben dem Kampf gegen Dämonen und
böse Geister gewidmet hatte. In fremden Räumen und anderen
Zeiten galten andere physikalische Gesetze. Dies hier war eine
Vorstufe dessen, was vielleicht Al Nafuur mit seinem ewigen Leben
erreicht hatte. Der Geist formte den Körper, wurde nicht
endgültig ausgelöscht, konnte aber nicht nochmals
wiederkommen, wenn eine Rückkehr sich ereignet hatte.
Die jungen schönen Körper der Daiss-Frauen waren
schlank, zartgliedrig, und sie bewegten sich mit der Anmut von
Gazellen. Ihre Kleidung bestand aus seidenen Stoffen, in den meisten
Fällen reichte das Gewand bis hinab zu den Knöcheln und lag
dicht am Körper an. Nackt waren die gebräunten Arme, die
Schultern, der schöne, schlanke Hals.
Die Pfähle fielen und blieben wie riesige Speere im
Wüstensand liegen. Vorhin noch ein Meer des Todes – war
Hellmark jetzt von Lebenden, von Auferstandenen umgeben.
Raos, dem Hellmark zuerst zur Auferstehung verholfen hatte, wich
nicht von der Seite des Dämonenkämpfers. Mit jedem neuen
Hieb fiel berstend ein Pfahl um, und aus dem geweihten Staub formten
sich die neuen, alten Körper.
Die Wüste lebte. Aber hoch fehlte die Stadt. Sie befand sich
im Verborgenen, in einem anderen Raum, in einer anderen Zeit, wo der
Geist dieses Volkes sie hinversetzt hatte. Dadurch war verhindert
worden, daß das Dämonenheer Molochos’, die
Geisterreiter aus einer finsteren Jenseitswelt, diese Stadt
übernehmen konnten.
»Du hast Mut, Kaphoon«, dröhnte in diesem Moment
eine eiskalte Stimmte durch die Luft, daß dem Angerufenen ein
Schauer über den Rücken lief.
Hellmark drehte sich um.
Vor ihm – rund fünfzig Schritte entfernt – stand
eine dunkle Gestalt. Sie hielt ein blitzendes Schwert in der Hand.
Ein Schwarzer Priester!
Selten kam es zu einer solchen Begegnung. Langsam ging Hellmark
durch die sich bildende Gasse der stummgewordenen, unbewaffneten
Männer und Frauen, die den Eindringling mißtrauisch und
angsterfüllt musterten.
»Du behauptest, den Daiss die Welt wieder so
zurückzugeben, wie sie gewesen ist. Große
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